Probemonat: Wenn das Kind Chef der Familie sein darf

Jochen Metzger hat seinen Kindern einen Monat lang alle Freiheiten gegeben. Seiner Tochter gefiel das nur am Anfang.

Hamburg. Das Paradies für jedes Kind: Einen Monat lang Chef der Familie sein, sich von den Eltern nichts sagen lassen und dazu über das Haushaltsgeld verfügen. Für die Kinder von Jochen Metzger ist dieser Traum wahr geworden. Der in Hamburg lebende Journalist und Autor des Buches „Alle Macht den Kindern“ hat seine Familie diesen Selbstversuch machen lassen — und Tag für Tag alles festgehalten.

„Wir hatten einfach Lust, etwas Besonderes zu erleben, und die Kinder waren natürlich sofort Feuer und Flamme für meine Idee“, erinnert sich der 42-Jährige an die Anfänge. Dass letztlich ein Buch daraus entstand, war Zufall. Der Journalist sollte über ein psychologisches Thema schreiben, das Interesse an dem Selbstversuch war aber größer.

Und so startete Familie Metzger im November 2010 den Versuch: Vier Wochen waren Sohn Jonny (11) und Tochter Lara (14) die Großen, Jochen Metzger und seine Frau Helga (44) die Kleinen. Damit bekamen die Kinder nicht nur ungemein viel Freiheit, sondern auch viel Verantwortung — und 700 Euro, mit denen die Familie einen Monat lang auskommen sollte. „Ich war schon sehr stolz zu sehen, wie Lara alles schnell in den Griff bekam. Einkaufsliste machen, das Geld verwalten.“ Sogar die Ernährung der Familie stellte die „junge Erwachsene“ um. „Schade nur, dass bei ihr am Ende das Negative überwog“, bedauert Metzger. Denn die 14-Jährige hatte die Verantwortung irgendwann mächtig satt, wollte einfach wieder Jugendliche sein.

Das große Los hingegen hatte ihr Bruder Jonny gezogen. Er genoss die Freiheit des Experiments in vollen Zügen: den ganzen Tag Fernsehschauen, Computerspielen und sich bedienen lassen. „Das war wirklich der Himmel auf Erden für meinen Sohn“, sagt Metzger, der samt Familie in Aumühle nahe Hamburg lebt.

Zwar wollte Metzger keinen Ratgeber schreiben, „aber man lernt aus Fehlern und in diesem Fall der Leser von unseren“. Ohne belehrenden Unterton, dafür aber mit bisweilen etwas ausschweifenden Exkursen in die Erkenntnis- und Erlebniswelt des Autors beschreibt das Buch die Erfahrungen der Familie Metzger, vor allem die der Kinder. „Jeden Abend habe ich sie interviewt und gefragt, wie sie den Tag wahrgenommen haben.“

Seine Frau Helga bleibt indes recht diffus und wird meist nur durch Erzählungen der Kinder vermittelt. „Man muss dazu sagen, dass sie dem Ganzen recht skeptisch gegenüberstand und es mehr meine Idee war“, erklärt der Autor.

Metzgers Gedanken werden dem Leser hingegen stets vermittelt: seine Sorge, sich mit dem Versuch strafbar zu machen, sein heimliches Manipulieren des Fernsehgeräts, damit der Sohnemann das Dauerglotzen aufhört.

Der große Schreck blieb aus, Lara und Jonny gingen nicht völlig verwahrlost aus der Geschichte heraus. „Außer ein paar Mal Schule schwänzen und leere Portemonnaies blieb alles noch recht harmlos“, sagt der Vater erleichtert.

Und was hat die Familie aus der Sache gelernt? „Eltern sollten sich mehr zurücklehnen und nicht versuchen, alles zu kontrollieren“, fasst Metzger zusammen. Ihm käme das auch ganz gelegen: „Ganz ehrlich, wir sind ziemlich faule Eltern. Und faule Eltern sind gute Eltern“, sagt er grinsend.