Prozess: Kunstfälscher mit Wissenslücken stehen vor Gericht
Eine Bande soll mit falscher Kunst Millionen ergaunert haben — obwohl sie kuriose Fehler gemacht hat.
Köln. Mindestens 15 Jahre und wahrscheinlich noch länger narrten mutmaßliche Fälscher die Kunstwelt mit vermeintlichen Meisterwerken der Klassischen Moderne. Das Quartett soll fast 16 Millionen Euro kassiert und sogar den US-Schauspieler Steve Martin übers Ohr gehauen haben.
Am Donnerstag (1. September) beginnt am Landgericht Köln der Prozess um den wohl größten Kunstfälschungsskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte. Das Gericht hat 40 Verhandlungstage bis Anfang März angesetzt. Der Skandal hat schon jetzt das Vertrauen in den Kunstmarkt und die Experten massiv erschüttert.
Drei Angeklagte - ein 60-Jähriger und seine 53-jährige Frau sowie ein 67-jähriger Mann - sitzen seit einem Jahr in Untersuchungshaft und schweigen. Die vierte Beschuldigte (54), Schwester der 53-Jährigen, ist auf freiem Fuß. Eine schier unglaubliche Legende hatte die Bande nach Erkenntnissen der Ermittler um eine erfundene „Sammlung Werner Jägers“ und „Sammlung Knops“ erfunden.
Die Bande hatte sich eine erstaunliche Herkunftsgeschichte ihrer Werke ausgedacht. Der 1992 gestorbene Werner Jägers, Kölner Unternehmer und Großvater der angeklagten Schwestern, habe zahlreiche Gemälde von dem in der Weimarer Republik bekannten Galeristen Alfred Flechtheim erworben und diese während des Krieges in der Eifel versteckt. Jägers sei befreundet gewesen mit dem Krefelder Schneidermeister Johann Wilhelm Knops, Großvater des 67-jährigen Angeklagten und ebenfalls Kunstliebhaber. Aber weder sammelten Jägers und Knops Kunst, noch sind sie sich - soweit man weiß - je begegnet.
47 Gemälde mit der fingierten Provenienz Jägers oder Knops soll das Quartett seit 1995 über Auktionshäuser, Galerien und Händler in den Kunstmarkt geschleust haben. Schon Ende der 80er Jahre sollen sich die beiden angeklagten Männer zusammengetan haben.
Im Prozess geht es um 14 Werke. Den höchsten Preis erzielte die Fälschung „La Forêt(2)“, angeblich von Max Ernst, die in einem Weiterverkauf für rund 5,5 Millionen Euro an den US-Verleger Daniel Filipacchi ging. Einen deutschen Jahres-Auktionsrekord erzielte 2006 das dem rheinischen Expressionisten Heinrich Campendonk zugeschriebene, gefälschte Werk „Rotes Bild mit Pferden“, das für 2,9 Millionen Euro vom Kölner Kunsthaus Lempertz versteigert wurde.
2,8 Millionen Euro erzielte „La Horde“, wiederum angeblich von Max Ernst, das bei einer Christie's-Auktion zunächst Ladenhüter war und dann der Sammlung Würth vermittelt wurde. Steve Martin kaufte sich das vermeintliche Campendonk-Bild „Landschaft mit Pferden“ für rund 500 000 Euro, veräußerte das Bild dann aber mit Verlust weiter.
Den Fälscherpinsel soll der künstlerisch versierte 60-Jährige geführt haben, möglicherweise hatte er auch Helfer. Für den Verkauf waren die Frauen und der 67-Jährige zuständig. Das Geld floss ins Ausland, häufig auf ein Nummernkonto in Andorra. Die Bande leistete sich laut Anklage einen „äußerst luxuriösen Lebensstil“ mit Anwesen in Südfrankreich und Freiburg.
Einflussreiche Fachleute fielen auf die Betrüger herein. Die Tricks der Fälscher waren perfide. Gefälscht wurden zumeist als verschollen geltende Werke, von denen es keine Abbildungen gab. Auf die Rückseiten klebten sie gefälschte Aufkleber bekannter Galerien der Vorkriegszeit wie „Sammlung Flechtheim“ oder „Der Sturm“. Sogar vergilbte Familienfotos, die angeblich die Großmutter Jägers' 1937 vor einigen der „Meisterwerke“ zeigen, fertigte die Bande äußerst kunstfertig an.
Sie gab auch nicht auf, als Experten oder Restauratoren Fälschungsmerkmale bereits festgestellt hatten und Warnungen vor der „Sammlung Jägers“ die Runde machten. Wohl mit aller Macht sollten noch 2009 bereits als zweifelhaft eingestufte Werke von Léger und Derain verkauft werden. Der Sechs-Millionen-Deal wurde in letzter Minute verhindert. Die Bilder wurden am 25. August 2010 in Ahlen beschlagnahmt, das Ehepaar wurde zwei Tage später in Freiburg in seiner Villa festgenommen.
Die „hohe Qualität“ der beschlagnahmten gefälschten Werke beeindruckt sogar Experten: Die Maltechniken waren ausgefeilt, alte Leinwände, Rahmen und rostige Nägel wurden benutzt und die Bilder mit einer „Schmutzschicht“ überzogen, damit sie schön alt aussahen. Sogar Holzwurmlöcher waren gefälscht.
Letztlich aber machten die mutmaßlichen Fälscher doch kapitale Fehler: Das Rahmenholz mehrerer Bilder stammte aus ein und demselben Baum. Das benutzte Titanweiß gab es in dieser Form vor 1937 noch gar nicht. Mit der Schreibweise von Namen standen sie auf Kriegsfuß. Das als „Natur morte“ (Stillleben) betitelte Léger-Bild ist falsch geschrieben - es muss „Nature“ heißen. Außerdem zeigt es kein Stillleben, sondern eine Lokomotive.