Prozess um PCB-Skandal: Arbeiter völlig ungeschützt in giftigen Schlamm geschickt?

Ex-Chef weist vor Gericht Vorwürfe zurück. An auffälligen Blutwerten sei die ungesunde Lebensweise der Mitarbeiter schuld.

Dortmund. In ihrem Blut kreist das Gift, ihre Gedanken sind voller Angst: 51 Ex-Mitarbeiter des Entsorgungsunternehmens Envio Recycling GmbH in Dortmund haben deutlich erhöhte PCB-Werte.

In Einzelfällen wurde das Umweltgift in einer Dosierung nachgewiesen, die 25 000-fach über dem Normalwert liegt. Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass der ehemalige Geschäftsführer und drei weitere Manager ihres Betriebes sie aus reiner Profitgier dem hochgiftigen Kühl- und Isoliermittel PCB ausgesetzt haben.

Mit einem heftigen Schlagabtausch von Verteidigung, Nebenklage und Staatsanwaltschaft begann am Mittwoch vor dem Dortmunder Landgericht der Prozess um einen der größten deutschen Umweltskandale.

Ralf Neuhaus, der Anwalt des Ex-Geschäftsführers, wollte die Vorwürfe der Anklageschrift nicht einfach unkommentiert lassen. Sein Mandant würde sich ja entschuldigen, wenn es etwas zu entschuldigen gäbe, sagte er.

Aber wenn man dem Anwalt folgt, dann ist im Grunde gar nichts passiert. Die auffälligen Blutwerte der Mitarbeiter seien nicht auf Fehler im Betriebsablauf bei Envio zurückzuführen, so Neuhaus. „Sie lassen sich vielmehr plausibel mit ungesunden Lebensstilfaktoren dieser Mitarbeiter erklären.“ Und mal davon abgesehen — es sei gar nicht erwiesen, dass PCB im Blut wirklich so krank mache, wie von der Staatsanwaltschaft behauptet.

Mehrere betroffene Ex-Arbeiter des Entsorgungsunternehmens reagierten wütend und entsetzt. „Mir ist nie gesagt worden, wie gefährlich diese PCB sind“, sagte ein 56-jähriger Dortmunder. „Hätte ich das gewusst, hätte ich gesagt: Macht euren Kram alleine.“ Der Mann, der im Prozess als Nebenkläger auftritt, hat Angst, schon bald an Krebs zu erkranken. „Zu Hause bin ich gereizt und launisch. Meine ganze Familie leidet mit“, sagte er am Rande des Prozesses.

Staatsanwalt Dirk Stickeln ist davon überzeugt, dass der frühere Envio-Chef und die Mitangeklagten genau wussten, was sie taten, als sie ihre Arbeiter manchmal völlig ungeschützt an der Entsorgung kontaminierter Trafos schuften ließen.

Manchmal hätten die Männer nur mit einer normalen Arbeitshose bekleidet bis zur Wade in hochgiftigem Schlamm gestanden. Und wenn es Schutzanzüge gab, dann waren diese laut Staatsanwaltschaft von minderer Qualität und damit praktisch nutzlos. „Diese kosteten im Einkauf aber halt nur 1,16 Euro pro Stück. Ein richtiger hätte 29 Euro gekostet“, sagte der Staatsanwalt.

Das Gericht geht schon jetzt davon aus, dass es viele Monate dauern wird, um die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen.

Die Bezirksregierung hatte das Envio-Betriebsgelände im Dortmunder Hafen im Frühjahr 2010 geschlossen, nachdem Bodenproben eine erhebliche Umweltbelastung angezeigt hatten.