Quarantäne: Bundesländern drohen Entschädigungsforderungen
Hamburg. Den Bundesländern droht wegen der Schweinegrippe eine Welle von Entschädigungsforderungen. In mindestens sechs Ländern haben Menschen, die nach Kontakt mit sicher oder wahrscheinlich Infizierten unter Quarantäne gestellt wurden und nicht arbeiten konnten, bereits Anträge auf Erstattung ihres Verdienstausfalls gestellt.
Thüringen, Sachsen und Niedersachsen prüfen derzeit die meisten Ansprüche.
In anderen Bundesländern rechneten die zuständigen Landesämter nicht mit einem Ansturm von Betroffenen. Das deutsche Infektionsschutzgesetz sieht vor, dass bei Seuchen unter Quarantäne gestellte Menschen, die selbst nicht erkrankt sind und kein Krankengeld erhalten, Entschädigungen für Lohnausfälle erhalten.
Ein Berufsverbot des Gesundheitsamtes könne Menschen mit häufigem und engen Kontakt zu Risikogruppen treffen, erklärte das schleswig- holsteinische Gesundheitsministerium in Kiel. Dazu gehörten etwa Krankenschwestern oder Erzieherinnen. Sie hätten gemäß Gesetz Anspruch auf eine Entschädigung vom Landesamt für soziale Dienste.
Bisher hat das Ministerium jedoch keine Erkenntnisse darüber, welche "Dimensionen" das in Schleswig-Holstein annehmen wird. Auch in anderen Ländern herrscht Unklarheit über die Höhe der Folgekosten.
Der Freistaat Sachsen rechnet mit etlichen Anträgen. Wie das Sozialministerium in Dresden mitteilte, seien bisher rund zehn Anträge eingegangen, "Tendenz steigend". Rund 140 Angehörige, Freunde oder Kollegen von 70 Erkrankten seien in Quarantäne genommen worden. Welche Kosten auf den Freistaat insgesamt zukämen, lasse sich nicht abschätzen.
In Niedersachsen haben bislang fünf Menschen Geld vom Land verlangt. "Es liegen Anträge aus den Landkreisen Leer, Friesland und Göttingen vor", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Hannover. Die Höhe der Kosten sei noch nicht klar. Das Ministerium rechnet zudem mit weiteren Anträgen in den kommenden Wochen. In Niedersachsen seien bislang rund 900 Menschen von der Schweinegrippe betroffen.
In Thüringen gibt es zwar nur etwas mehr als 70 Infektionen. Dennoch sind im Freistaat bislang die meisten Forderungen von Bürgern erhoben worden. In Thüringen seien bis Ende vergangener Woche 21 Anträge eingegangen, sagte der Sprecher des Landesverwaltungsamtes, Adalbert Alexy, bereits am Montag. Die genaue Entschädigungssumme müsse in jedem einzelnen Fall erst noch ermittelt werden.
Sachsen-Anhalt setzt beim Ausgleich der Verdienstausfälle auf die Arbeitgeber. "Wir rechnen nicht mit einer Masse von Anträgen, da in den meisten Fällen ganz regulär die Lohnfortzahlung des Arbeitgebers greift", sagte der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Holger Peach. Bis zum Montag wurden in Sachsen-Anhalt 104 infizierte Bürger gezählt, wie viele weitere Menschen bislang in Quarantäne mussten, ist nicht bekannt. Zwei Anträge auf Entschädigung seien bisher eingegangen.
In Hessen ist derzeit nur ein Fall bekannt, in dem jemand eine Entschädigung haben möchte. Details lagen dem Gesundheitsministerium nicht vor. Eine Flut von Anträgen fürchtet das Land nicht, da es seit kurzem keine vorbeugende Quarantäne mehr gebe. "Wer krank ist, wird krankgeschrieben. Wer nicht krank ist, wird auch nicht mehr isoliert", sagte Sprecherin Ulrike Grzimek. Somit entstünden - abgesehen von der Krankschreibung, die das Land nicht zu tragen hat - auch keine Extra-Kosten mehr.
In Hamburg, Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern gab es bis zum Dienstag noch keine Anträge. In Rheinland-Pfalz liegt das schlichtweg daran, dass niemand wegen Kontakten zu Schweinegrippe- Patienten der Arbeit fernbleiben musste. "Unseren Experten im Gesundheitsministerium ist kein einziger Fall bekannt, in dem eine Quarantäne angeordnet wurde", sagte die stellvertretende Ministeriumssprecherin Doris Peckhaus.