Rasanz statt Schmalz bei Bon Jovi
Die Band rockt das ausverkaufte Kölner Stadion.
Köln. Plötzlich ist er ganz entspannt, lacht ausgelassen, klopft dem Gitarristen Bobby Bandiera vertraut auf die Schulter. „Pretty Woman“ — Roy Orbisons Klassiker in den eigenen Klassiker „Bad Medicine“ eingewebt — geht immer.
Auch an diesem Abend im mit 42 000 Fans ausverkauften Kölner Rheinenergie-Stadion. Und die feiern den kleinen Mann im weißen Deutschland-Trikot. Mit der Nummer 30: Jon Bon Jovi!
In Köln beenden Bon Jovi ihre Deutschland-Konzerte im Rahmen der „Because we can“-Welttournee. Wer erwartet hatte, der Sänger mit dem Zahnpasta-Strahlen würde einen routinierten Job abziehen, wird positiv überrascht.
Auch 30 Jahre nach der Gründung brennt Jon Bon Jovi (51) und mit ihm die Fans, die mit dem ersten Song — das Status-Quo-Cover „Rockin’ all over the world“ — frenetisch jubeln, textsicher mitsingen und immer wieder die Arme in die Höhe reißen. „Raise your Hands“ spielt die Band metal-scheppernd: Die Hände zum Himmel!
Die faszinierende Bühne ist das Ergebnis einer wahren Materialschlacht: 350 Crewmitglieder haben aus 115 Trucks an fünf Tagen den Aufbau gestemmt: In der überdimensionalen Front eines 1959er Buick Electra toben sich Bon Jovi und die Gründungsmitglieder Tico Torres (Drums) und David Bryan (Keyboard) sowie ihre Mitmusiker aus. 821 Kilometer Kabel wurden verlegt. Die Musik drängt aus 172 Boxen mit mehr als 1,8 Millionen Watt ins Stadion.
Bon Jovi ist Stadionrock pur, rund zweieinhalb Stunden lang. An diesem Abend ist Tempo angesagt — Balladen streut er nur zwei ein: Rasanz ersetzt Schmalz. Das hält die Stimmung hoch. Hits wie „You give Love a bad Name“ sind Selbstläufer.
Zum Fan-Favoriten „Captain Crash and the Beauty Queen from Mars“ fliegt Konfetti in die ersten Reihen. Und auch die Songs des neuen Albums — „That’s what the Water made me“ und die erste Single „Because we can“ — sind absolut stadiontauglich, klingen kraftvoller und lebendiger als in der Studioaufnahme.
Die größtenteils weiblichen Fans sind aus dem Häuschen und der Sänger wirkt gar ein Stück überwältigt, scherzt mit dem Sologitarristen Phil X. Ach ja, die Abwesenheit des Stammgitarristen Richie Sambora hält auch in Köln an. Aber mal ehrlich: Hat ihn jemand vermisst?