Regeln statt Chaos - Trendsport Jugger organisiert sich

Duisburg (dpa) - Sieht aus wie eine wilde Prügelei, ist aber ein Sport: Bei „Jugger“ entscheiden Schnelligkeit und Koordination. Die Vereine wollen ihre Organisation verbessern.

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Auf einer Wiese in einem Duisburger Park prügeln Jugendliche aufeinander ein. Sie schlagen sich mit seltsamen Gegenständen, die an überdimensionale Ohrenstäbchen erinnern. Rennen wild aufeinander los. Zwei von ihnen schwingen riesige Ketten, eintönige Trommelrhythmen durchbrechen ihre Schreie. Mittelalter-Festspiele? Bandenkrieg? Nein, es geht um Sport.

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Der nennt sich „Jugger“ und mutet zunächst etwas chaotisch an. Auf der Internetseite Jugger.de wird die Sportart als eine „Mischung aus American-Football und Gladiatorenkämpfen“ beschrieben. Entlehnt wurde sie dem post-apokalyptischen Film „The Blood of Heroes“.

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Das Spielgerät ist der Jugg, ein unförmiger „Ball“, der aus Schaumstoff besteht und meist aussieht wie ein Hundeschädel. Vier Kämpfer versuchen einen Läufer daran zu hindern, den Jugg in das Platzierfeld des gegnerischen Teams zu stecken - mit Waffen wie der Kette oder eben den ohrenstäbchenartigen „Pompfen“.

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Seit rund zwanzig Jahren gibt es dieses Spiel in Deutschland, seit 2003 besteht eine eigene Liga. Anfangs gerne belächelt, wollen die Aktiven Jugger als ernstzunehmende Sportart etablieren. Der Betreiber der Homepage Jugger.de, Lester Balz, sieht den Wettkampf derzeit im Aufschwung. Bis zum Jahresende dürften deutschlandweit knapp 150 Teams existieren, die Teilnehmerzahl bei den Deutschen Meisterschaften muss wohl bald begrenzt werden. Die Jugger-Liga soll neu strukturiert werden - mit Regionalgruppen und einer Endrunde. Organisiert werden diese Wettbewerbe jeweils von den Vereinen vor Ort. Immer mehr davon werden Mitglied beim Gewichtheber- oder Turnerverband, obwohl Jugger mit dem Stemmen von Kilos und Reckübungen nichts gemein hat.

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Durch die Verbandsangehörigkeit gelten sie ganz offiziell als „sportförderungswürdig“ - sie können sich bei den kommunalen Sportbünden um finanzielle Unterstützung bemühen, zum Beispiel für die Arbeit eines ehrenamtlichen Trainers.

In NRW gibt es nach Berlin die größte Mannschaftsdichte. Als in Frühjahr in Duisburg die Freiluftsaison begann, trafen 14 Teams in einem Park aufeinander. „Letztes Jahr waren es nur acht“, sagt Alexander Gohr, vom Duisburger Verein Cervisia Ultima. Der Landessportbund freut sich über diesen Aufschwung. „Es ist eine Bereicherung, wenn Menschen im Verein Sport treiben“, sagt Sprecher Frank Rall.

Was macht Jugger aus? „Die Faszination ist die Dynamik, vor einem Spiel lässt sich schlecht planen, was passiert“, sagt Gohr. Schnelligkeit, Koordination - darauf kommt es an, sowie auf einen gewissen Grad an Aggression. Mag der Sport auch gewalttätig aussehen, die Verletzungsgefahr soll nicht größer sein als in anderen Sportarten. „Pompfen“ und Ketten sind dick mit Schaumstoff entwickelt, auf Kopf, Hals und Handgelenk darf gar nicht erst geschlagen werden. „Gegenseitige Rücksichtnahme ist sehr wichtig“, sagt Gohr.

Zudem hat Jugger offenbar einen pädagogischen Wert. So nutzt ein Stolberger Gymnasium den Sport zur Gewaltprävention. „Er funktioniert nur im Team, mit klaren Regeln und ist eben kein wildes Aufeinanderschlagen“, sagt Lehrer Nils Carl. Seit Jugger an der Schule im Unterricht gespielt wird, sei das Konfliktpotenzial unter den Schülern zurückgegangen. Im hessischen Rotenburg und im bayrischen Bamberg wird der Sport von Streetworkern eingesetzt.

Auch Alexander Gohr geht mit seinem Team in Schulen und Jugendzentren - er will den Sport bekannter machen. Trainiert wird meist in Parks. Oft fragen dort Spaziergänger: „Was macht ihr da?“ Gohr erklärt dann, das sei Jugger - kein „Chaos“, sondern „Sport“.