Ruhr 2010: Millionen feiern auf der A40

Dichtes Gedränge beim Volksfest auf dem Ruhrschnellweg. Der Veranstalter will eine Wiederholung.

Essen. Drei Millionen Menschen beim Kulturvolksfest "Still-Leben" auf der A40 mitten im Ruhrgebiet: Wo sich sonst die Autos stauen, kamen gestern die Radfahrer nicht mehr durch. Auch Fußgänger schoben sich mitunter nur zentimeterweise voran. Der Andrang war so groß, dass die Auffahrten zeitweise gesperrt werden mussten. Der fröhlichen Volksfeststimmung auf 60 Kilometern Autobahn zwischen Dortmund und Duisburg tat das keinen Abbruch.

Bei strahlendem Sonnenschein feierte das Ruhrgebiet sich selbst und seine "Alltagskultur". Und wer von den direkten Anwohnern der - für Autos gesperrten - Stadtautobahn keine Lust hatte, sich in die Menge zu stürzen, schaute einfach aus dem Fenster.

Die Bühne bestand aus 20000 Bierzelttischen: Jeder konnte sich dort mit seinem Hobby oder seinen Fähigkeiten präsentieren. Kerstin Popall oder Anja Meier etwa, die Modeschmuck reparierten, wo sonst 150 000 Autos am Tag über die Fahrbahn donnern: "Wir aus dem Pott machen Euren Modeschmuck flott." Dichtkunst auf Abruf bot ein Literaturstammtisch: Auf Zuruf eines Wortes entstand am Tisch ein kleines Gedicht - zum Mitnehmen.

Viele Geburtstage wurden gefeiert, wie etwa der 72. von Waltraud Ringelstein aus Essen. Jede volle Stunde sang die Geburtstagsgesellschaft ein "Happy birthday" - auch Passanten sangen mit. Die Erinnerung an die Vergangenheit des Ruhrgebiets als Kohlerevier durfte nicht fehlen: Auf einer Autobahnbrücke trugen Bergmannschöre gemeinsam "Glück auf, ihr Bergleut’ jung und alt" vor.

Viel Multi-Kulti war vertreten - kein Wunder in einer Region mit mehr als fünf Millionen Einwohnern aus 170 Nationen. In Duisburg machten knapp 100junge Damen in weißen Brautkleidern auf sich und ihren Stadtteil Marxloh aufmerksam. Der gilt als Problembezirk, hat aber auch die höchste Dichte an (türkischen) Brautgeschäften in Deutschland.

Für Ruhr2010-Geschäftsführer Oliver Scheytt ist das "Still-Leben" eine "große soziale Skulptur", die ein neues Selbstbewusstsein der Menschen präge. "Man muss sich jetzt nicht mehr entschuldigen, dass man zwischen Münster und Düsseldorf wohnt."

"Es war eine fröhliche, friedliche Kulturtafel, die man so schnell nicht wiederbekommt", sagte Ruhr2010-Chef Fritz Pleitgen. Er regte eine Wiederholung der Mammut-Veranstaltung an: "Auf ein Neues. Lass uns das noch mal probieren." Der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) schlug einen Zwei-Jahres-Rhythmus für das "Still-Leben" vor.

Montag herrscht auf der A40 wieder Normalität: Um 5 Uhr wurden die Fahrbahnen wieder für den Verkehr freigegeben.