Saudi-Arabien und Iran weisen einander Schuld an Mekka-Toten zu

Mekka/Teheran (dpa) - Saudi-Arabien und der Iran geben sich gegenseitig die Schuld an der tödlichen Massenpanik bei der islamischen Wallfahrt nach Mekka. Die saudische Presse machte iranische Pilger für die Katastrophe mit mehr als 700 Toten verantwortlich.

Irans oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei erklärte hingegen, „schlechte Koordinierung und unüberlegtes Handeln“ der saudischen Behörden hätten das Unglück verursacht.

Das sunnitische Saudi-Arabien und der schiitische Iran sind Erzrivalen in der Region. Sie unterstützen in den Bürgerkriegen in Syrien und im Jemen jeweils unterschiedliche Konfliktparteien. Saudi-Arabien lehnt zudem das Atomabkommen mit dem Iran ab.

Die saudische Nachrichtenseite Al-Sabq meldete am Freitag, eine große Gruppe von Iranern sei entgegen der Vorgaben in eine falsche Richtung gelaufen und dort mit anderen Pilgern zusammengestoßen. Sie berief sich dabei auf nicht näher genannte Augenzeugen.

Das Unglück war die schlimmste Katastrophe bei einer Mekka-Wallfahrt seit 25 Jahren. Unter den Toten waren auch mehr als 130 Iraner. Die saudische Regierung müsse für das Unglück die Verantwortung übernehmen, sagte Irans oberster Führer Ajatollah Ali Chamenei.

In Teheran kam es nach dem Freitagsgebet zu Demonstrationen. „Tod der saudischen Dynastie“, schrien wütende Demonstranten. Beim Freitagsgebet forderte der Vorprediger sogar eine Anklage des suadischen Regimes vor dem Internationale Strafgerichtshof.

Die genaue Ursache der Katastrophe ist bisher unklar. Nach offiziellen Angaben kam es am Donnerstagmorgen an einer Straßenkreuzung in dem Ort Mina bei Mekka zu einem Stau von Pilgern, der eine Massenpanik auslöste. Dramatische Bilder eines Amateurvideos zeigten, wie Dutzende leblose Körper übereinanderlagen und andere Gläubige einklemmten. Mehr als 860 Menschen wurden verletzt.

Der saudische Gesundheitsminister Khaled al-Falih hatte Pilgern schon am Donnerstag vorgeworfen, sie hätten zeitliche Vorgaben missachtet. Um den Massenstrom der Gläubigen in Mekka zu steuern, gibt es für Pilgergruppen eigentlich einen festen Zeitplan für den fünftägige Hadsch. Die pakistanische Internetseite Dawn zitierte hingegen einen Pilger, der die saudische Polizei beschuldigte, Ein- und Ausgänge zu einem Lager mit Zelten geschlossen zu haben.

Nach der Katastrophe steigt auch der Druck auf das saudische Königshaus und seinen Herrscher König Salman, der im Frühjahr den Thron bestiegen hatte. Es war bereits das zweite Unglück bei der diesjährigen Wallfahrt. Kurz vor Beginn des Hadsch war bei einem Unwetter ein Kran auf die Große Moschee in Mekka gestürzt. Mehr als 100 Gläubige starben. Salman ordnete jetzt an, die Sicherheitskonzepte für die Wallfahrt zu überprüfen.

Der iranische Präsident Hassan Ruhani, derzeit in New York für die UN-Versammlung, rief drei Trauertage aus. Außerdem bildete er einen Krisenstab. Der soll die Leichen zurück in den Iran bringen und sich um die Familien der Opfer kümmern. Außerdem forderte Ruhani von der saudischen Seite, Maßnahmen zu ergreifen, damit solche Tragödien bei einer Wallfahrt nicht wieder vorkommen.

Hunderttausende setzten am Freitag ihre Pilgerreise mit der symbolischen Steinigung des Teufels fort. An einer fünfstöckigen Fußgängerbrücke warfen sie Steine auf Säulen, die das Böse symbolisieren. Der Pilgerstrom laufe reibungslos, meldete der von Saudi-Arabien finanzierte Nachrichtenkanal Al-Arabija. In diesem Jahr sind mehr als zwei Millionen Muslime nach Mekka gepilgert, darunter 1,4 Millionen Gläubige aus anderen Ländern.