Vermeintliches Mordopfer plante Abtauchen vor 31 Jahren genau

Braunschweig/Düsseldorf (dpa) - Eine vermeintlich ermordete Frau hat ihr Abtauchen vor 31 Jahren genau geplant. Wochen, bevor die damals 24 Jahre alte Studentin aus Braunschweig verschwand, habe sie bereits eine Wohnung in Gelsenkirchen angemietet und heimlich Geld zur Seite gelegt, teilte die Polizei mit.

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Die junge Frau nahm damals keinen Koffer mit und ließ alles so aussehen, als sei ihr etwas zugestoßen. Ihren Nachbarn im Studentenwohnheim bat sie allerdings, ihre Blumen zu gießen und die Vögel in der Voliere zu versorgen.

Die Mutter und der Bruder der heute 55-Jährigen hätten fassungslos auf die Entdeckung reagiert, dass ihre Tochter und Schwester noch lebt. Beide hätten den ganzen Tag lang geweint, nachdem sie die Nachricht erhalten hatten. Die 1984 spurlos Verschwundene hatte bei der Polizei ausgesagt, keinen Kontakt zu ihrer Familie mehr haben zu wollen. Wie die „Braunschweiger Zeitung“ berichtete, schrieben Mutter und Bruder der Frau, dass sie stets mit offenen Armen empfangen werde, wenn sie es sich anders überlege.

Die Fahnder waren damals von einem Gewaltverbrechen ausgegangen, zumal der Mörder einer Schülerin erklärte, auch die Studentin getötet zu haben, sein Geständnis aber später widerrief. Die Eltern setzten damals eine Belohnung von 5000 Mark aus und zahlten sogar eine Hubschraubersuche aus eigener Tasche, so die Zeitung. Mit 150 Arbeitskollegen suchte der Vater damals die Wälder zwischen Braunschweig und Wolfsburg nach seiner Tochter ab.

Wie die nun wieder aufgetauchte Frau der Polizei sagte, lebte sie unter einem falschen Namen in verschiedenen westdeutschen Städten, die letzten elf Jahre in Düsseldorf. Als dort jüngst in ihre Wohnung eingebrochen wurde, offenbarte sie den Beamten spontan ihre wahre Identität. „Wir klappen den Deckel jetzt zu. Wir hatten den Aktenordner hier noch stehen“, sagte der Braunschweiger Polizeisprecher Joachim Grande am Freitag.

Da die Frau selber über die Gründe ihres Abtauchens nichts preisgeben will, kann über ihr Motiv weiter nur spekuliert werden. Mögliche Gewalt oder sexuelle Übergriffe in der Familie habe die 55-Jährige aber klar ausgeschlossen, als die Polizei sie befragte. Hinweise darauf, dass die Frau selber Straftaten begangen habe, gebe es ebenfalls keine, erklärte die Polizei.

„Dieser Fall mit einem so langen Untertauchen ist schon extrem ungewöhnlich“, sagte der Sprecher des Landeskriminalamtes Niedersachsen, Frank Federau. „Dass eine für tot erklärte Person wieder identifiziert wird, ist wirklich einzigartig.“ Vollkommen unerklärlich sei, wie es der Frau gelungen sei, so lange ohne Papiere zu leben. „Überall wo man etwas macht, muss man sich ausweisen.“