Schließung der Glockengießerei: In Passau hat sich’s ausgeläutet
In Bayern endet jetzt eine fast 900 Jahre alte Tradition: Die Firma Perner gießt die letzten zwei Glocken.
Passau. Eine Reihe von Glocken steht abholfertig im Hof. In der Halle bereiten Arbeiter Lehmformen für den Guss vor. Nichts deutet darauf hin, dass dort eine fast 900-jährige Tradition zu Ende geht.
Seit 1144 werden in Passau Glocken gegossen. Seit 1947 führte die Gießerfamilie Perner diese Tradition weiter. Ihre Glocken hängen in vielen Kirchen Europas sowie in Afrika, Japan und Indien.
An diesem Wochenende wurden die beiden letzten großen Glocken bei Perner gegossen. Sie sind für den Turm der Asamkirche in Aldersbach (Landkreis Passau) bestimmt.
„Ich bin mit der Glockengießerei aufgewachsen. Wir haben schon als Kinder im Betrieb mitgeholfen. Der Geruch nach Lehm und das Geräusch des Gießens, das sind für mich Kindheitserinnerungen“, sagt Ida Perner.
Die Schwester des Firmeninhabers kann nicht richtig fassen, dass mit dem Gießen Schluss ist. „Wir hätten gerne weitergemacht, aber das ist in der jetzigen Situation nicht möglich. Das ist schlimm für die ganze Familie.“
Die Auftragslage der Perners verschlechterte sich zunehmend
Die Perners stammen ursprünglich aus Pilsen und Budweis und schauen selbst auf 400 Jahre Gießertradition zurück. Ihre Firma ist nicht insolvent, Inhaber Rudolf Perner spricht von einem planmäßigen Ausstieg. Schon in den vergangenen Jahren gingen die Aufträge zurück. Der Bedarf, besonders groß nach den beiden Weltkriegen, sei weitgehend gedeckt. Auch die Wirtschaftskrise der europäischen Nachbarländer macht sich bemerkbar.
Viele Kirchengemeinden können und wollen sich keine Glocken für ihre Kirchtürme mehr leisten. Das sei vor allem in Osteuropa der Fall, wohin die Perners nach dem Fall des Eisernen Vorhangs viele Glocken verkauft haben. „Außerdem gibt es einen Trend zu billigeren, industriellen Gussverfahren. Da können wir nicht mithalten“, erklärt Rudolf Perner.
Aus Tradition stellen die Perners nur Bronzeglocken im Lehmformverfahren her. Da wird zuerst eine Lehmform für die Glocke per Hand hergestellt, dann erst wird die Bronze eingegossen. „Das braucht viel Zeit und ist sehr aufwendig“, sagt Ida Perner. 40 Mitarbeiter hatte die Firma Perner bis vor wenigen Jahren. Seitdem sind viele schon gegangen. Die Gießerei und der gesamte Betrieb schließen im Herbst, wenn die Aufträge montiert sind.
Ein weiteres Problem der Branche: Manche Kirchen würden abgerissen, vor allem im Westen und Norden Deutschlands, erklärt Hanns-Martin Rincker, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Glockengießereien. „Da stehen dann die eingebauten Glocken günstig zum Wiederverkauf. Neue Glocken verkaufen sich da schlecht.“
Rincker führt in 13. Generation eine Glocken- und Kunstgießerei. Damit gehört er jetzt einem kleinen Zirkel an: Nur noch sechs Glockengießereien gibt nach seinen Angaben in Deutschland. Ihnen geht es ähnlich wie Perner: Zwei der Familienbetriebe haben in den vergangenen Jahren Insolvenz angemeldet, zugemacht haben sie aber nicht. Sie setzen jetzt auf ein anderes Standbein: nicht mehr auf den Glockenguss, sondern auf die Instandhaltung und Reparatur.
Auch Perner will sich auf Service — Pflege und Wartung — konzentrieren. Dafür soll jetzt eine neue Firma aufgebaut werden. Damit bleibt in Passau wenigstens etwas von der langen Glockentradition erhalten.