Schmuckstück mit Geschichte - Der Siegelring
Alfeld (dpa/tmn) - Er wirkt ein wenig protzig: der Siegelring. Einst war er das Erkennungszeichen der mächtigen Oberschicht. Noch heute ist er ein Statement. Aber er ist auch einfach ein schöner Ring für den Mann - selbst ohne Siegel.
Er galt als Symbol für Autorität und Macht. Heute dürften bei Siegelringen viele an amerikanische Hip-Hopper oder junge Männer in Studentenverbindungen denken. Dabei tragen viele Männer und manche Frauen gerne diese Ringform - wenn auch ohne Familienwappen, dafür vielleicht mit ihren Initialen.
Der Siegelring war ursprünglich zum Besiegeln von Dokumenten gedacht. Um ein Dokument damit zu versehen, drückte man den Stempel in weiches Wachs und verschloss damit Briefe oder wichtige Schriftstücke. Im Mittelalter und der Antike waren diese Ringe im Allgemeinen der Oberschicht vorbehalten. Vor allem waren die Schmuckstücke ein Zeichen von Macht. „Jede wohlhabende Familie hatte ein eigenes Siegel - oft das Familienwappen“, erklärt Goldschmiedemeister Bernd Schwetje aus Alfeld in Niedersachsen.
Zwar verlor der Siegelring vor langer Zeit seine Funktion, seine Wirkung behielt er aber zunächst, sagt Andreas Rose, Stilberater aus Frankfurt am Main. Er war ein beliebtes Accessoire in den Vorstandsetagen großer Industrieunternehmen und von Banken. „Heute trägt der Vorstand der DAX 30-Unternehmen nur seinen Ehering am Finger und eine hochwertige Uhr am Handgelenk.“
Doch wer trägt den Siegelring heute? Vornehmlich, wer ein Familienwappen hat. Der Ring ist ein Zeichen für die Zusammengehörigkeit und die Identifikation mit der Herkunft. „Jede Person, die einen solchen Siegelring trägt, verbindet mit diesem besonderen Schmuckstück eine Geschichte“, sagt Patricia Esser-Föhre vom Zentralverband der Deutschen Goldschmiede, Silberschmiede und Juweliere in Osnabrück. „Wenn ich den Besitzer eines Ringes darauf anspreche, erzählt er mir oft mit einem Lächeln im Gesicht die Familiengeschichte. Zum Beispiel wie das gravierte Wappen entstanden ist und wo die Familie ursprünglich herkommt.“
An amerikanischen Schulen und Universitäten sind Siegelringe als Schulring bekannt und sehr beliebt. Der sogenannte „Klassenring“ ist mit dem Schulwappen, der Jahreszahl des Schulabschlusses sowie Symbolen zum Beispiel für Sportarten oder Künste, die der Schüler ausübt, verziert. Aber auch jeder andere könne einen solchen Ring tragen, findet Andreas Rose. Sie gewinnen derzeit modisch sogar an Bedeutung. Doch Rose rät, immer darauf zu achten, dass sie nicht zu protzig wirken.
Die Ringe zieren dann einfach die Initialen oder selbst entworfene Verzierungen. Man kann sich aber auch ein eigenes Wappen zulegen. Meist helfen Grafiker oder Designer, das umzusetzen. Beim Entwerfen eines Wappens sollte man die sogenannten heraldischen Richtlinien berücksichtigen. Die Heraldik ist die Gesetzgebung der Wappenkunde, und sieht etwa vor, welche Farben und wie diese im Wappen verwendet werden. Der Entwurf wird in einer freien Wappenrolle eingetragen, woraufhin er geprüft wird - etwa auf Dopplungen mit anderen Wappen.
Alle Siegel haben eine spiegelverkehrte Gravur eines Ornaments, Initialen oder eine Kombination aus beidem. Die Gravur werde in Stein oder Metall geritzt, erklärt Patricia Esser-Föhre. Häufig sind die Ringe schlicht aus Gold oder Weißgold, es gibt aber auch opulent verzierte Stücke mit gravierten Schmucksteinen.
„Der Ring wird üblicherweise am Ringfinger getragen. Und zwar so, dass die Gravur für den Betrachter erkennbar ist“, erklärt Bernd Schwetje. Ob es sich dabei um den Ringfinger der rechten oder der linken Hand handelt, hänge von regionalen, konfessionellen oder auch familienspezifischen Gegebenheiten ab. Und natürlich davon, wo man es am liebsten hat.
Auf mittelalterlichen Porträts sieht man, dass Kaufleute den Siegelring am Zeigefinger getragen haben. Das sei heute aber unüblich, sagt Schwetje. Gelegentlich werde der Ring am kleinen Finger getragen - doch dahinter stecke keine Tradition, sagt Swentje. Sondern vielleicht einfach, dass der Ring im Laufe der Jahre für den Ringfinger zu klein geworden sei.