Schneekatastrophe in Jerusalem
Tel Aviv (dpa) - Jerusalem und andere Höhenlagen in Israel und des Westjordanlandes sind vom schwersten Schneesturm seit langem getroffen worden: „Wir haben es mit einem Sturm zu tun, wie wir ihn noch nie erlebt haben“.
Das sagte Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat und fügte verzweifelt hinzu: „Ein Tsunami“. Die Heilige Stadt war von bis zu einem halben Meter Neuschnee zugedeckt, nichts ging mehr und der Bürgermeister rief die Armee zur Hilfe.
Regierungschef Benjamin Netanjahu, der am Vortag noch von „Jerusalem in weißem Gold - ein herzerwärmendes Bild“ gesprochen hatte, musste am Freitag sogar ein Treffen mit US-Außenminister John Kerry um Stunden verschieben, weil er wegen des Schneesturms an einer Krisensitzung teilnahm.
In der Nacht zu Freitag hatten Tausende Autofahrer zum Teil bis zu zehn Stunden auf schneebedeckten Autobahnen in den Bergen rund um Jerusalem festgesteckt. Die völlig überforderten Rettungskräfte riefen alle Eigentümer von Allradfahrzeugen um Hilfe, berichtete die Zeitung „Times of Israel“. An den steilen Passagen hatten die Fahrer der in Israel meist nur mit Sommerreifen ausgestatteten Autos auf schneeglatter Piste keine Chance. Die Polizei rief landesweit alle Menschen auf, vorsichtshalber zu Hause zu bleiben. Das Fahren auf allen Straßen sei „lebensgefährlich“.
In weiten Teilen Jerusalems fiel der Strom aus. Bäume waren unter der Schneelast zusammengebrochen und hatten die in Israel oberirdisch verlegten Stromkabel heruntergerissen. Damit saßen Zehntausende nicht nur im Dämmerlicht, sondern bibberten auch in ihren meist nur mit Strom zu beheizenden Wohnungen. Zudem sind Häuser in Israel an nordeuropäischen Standards gemessen sehr schlecht isoliert und die Fenster meist zugig. In Jerusalem wurden Notunterkünfte für gestrandete Autofahrer eingerichtet. Dort aber gab es zunächst weder ausreichende Heizung, noch Essen oder Getränke, zitierte die Zeitung „Haaretz“ Augenzeugen. Das Militär schickte hastig einen Konvoi mit Versorgungsgütern für die Notunterkünfte Richtung Jerusalem auf den Weg.
Die Schulen in Jerusalem und Umgebung sowie im palästinensischen Westjordanland und im verarmten Gazastreifen blieben den zweiten Tag in Folge wegen Schnees oder in niedrigeren Lagen wegen Überschwemmungen geschlossen. Zudem blies weiter ein kräftiger Wind. Im Gazastreifen wurden mindestens 30 Menschen bei dem Einsturz ihrer Behelfsbehausungen verletzt. Die Stromversorgung, die wegen Energiemangels ohnehin schon auf nur noch acht Stunden pro Tag beschränkt ist, brach weitgehend ganz zusammen.
Auch der Terminplan von US-Außenminister John Kerry bei seiner neuen Vermittlungsmission zwischen Israel und den Palästinensern geriet durcheinander. Er musste ein für Donnerstagabend mit Netanjahu geplantes Treffen absagen und sprach stattdessen zunächst mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im einfacher zu erreichenden Ramallah im Westjordanland. Am Freitag musste er dann in Jerusalem einige Stunden auf Netanjahu warten. Der aber kam immerhin in Kerrys Hotel.