Schock und Trümmer: Sieben Tote bei Erdbeben in Italien

Rom/Ferrara (dpa) - Ein heftiges Erdbeben in Norditalien hat mindestens sieben Menschen in den Tod gerissen. Auch eine Deutsche starb nach dem Erdstoß in der Nacht - möglicherweise wegen des panischen Schreckens.

Das schwere Beben erschütterte am Sonntagmorgen um 4.04 Uhr die Region Emilia-Romagna, die mit der Renaissancestadt Ferrara zum Weltkulturerbe der Unesco gehört. An mehreren historischen Gebäuden in der Erdbebenregion entstanden Schäden. Nach Angaben des US-amerikanischen Behörde USGS hatten die Erdstöße eine Stärke von 6,0. Sie waren in weiten Teilen Norditaliens zu spüren.

Besonders betroffen waren Modena, Ferrara, Bologna und Mantua. Mindestens vier Arbeiter starben in den Trümmern ihrer Arbeitsstätten. Das Epizentrum lag in Sant'Agostino in der Provinz Ferrara. Eine Seniorin wurde dem Ort wurde in ihrer Wohnung von Teilen der Decke erschlagen, sie wäre im Juni 103 Jahre alt geworden. Eine 86-Jährige erlitt nach einem Erdbeben einen Schlaganfall.

Mehrere Dutzend Menschen wurden verletzt; der TV-Sender Rai berichtete von etwa 50 Verletzten. Zahlreiche Nachbeben erschütterten die Region, das heftigste hatte eine Stärke von 5,1 und brachte weitere Gebäude zum Einsturz. Am Abend beben die Erde erneut, die Stärke der Erdstöße lag bei 4,8.

Regierungschef Mario Monti sagte den Opfern Hilfe zu. „In diesen Momenten fühlt das ganze Land mit denen, die leiden“, sagte Monti. Er werde vorzeitig von dem Nato-Gipfel in Chicago abreisen, ergänzte er der Nachrichtenagentur Ansa zufolge. Als Grund nannte er auch den tödlichen Anschlag auf eine Berufsschule in Brindisi. „Angesichts der tragischen Tat in Brindisi und des Erdbebens in Emilia Romagna habe ich beschlossen, nur am Anfang an dem Nato-Gipfel teilzunehmen und dann abzureisen, um morgen nachmittag in Italien zu sein.“

Auch Papst Benedikt XVI. gedachte neben den Opfern des Anschlags auch denen des Erdbebens. „Meine Gedanken gelten auch den Menschen in der Emilia Romagna, die vor wenigen Stunden von einem Erdbeben heimgesucht worden sind“, sagte er in Rom. „Ich bin im Geiste bei denen, die von diesem Unglück betroffen sind.“

Mindestens 3000 Menschen sind nach ersten Schätzungen obdachlos geworden, rund 2500 in der Provinz Modena und 500 in der ebenfalls stark betroffenen Provinz von Ferrara. Medienberichten zufolge reichten die Ausläufer des Bebens bis in die Lombardei, in die Toskana sowie nach Venetien. Auch in der Lombardei können 150 Menschen nicht in ihre Wohnungen zurück. Die Obdachlosen sollen in Sporthallen, Pensionen und Zelten untergebracht werden. In den nächsten Tagen werden Regen und Gewitter erwartet.

Die Trümmer einer Keramikfabrik erschlugen den Berichten zufolge zwei 35 und 45 Jahre alte Beschäftigte der Nachtschicht in Sant'Agostino. Ein 57-jähriger Arbeiter wurde dort unter dem eingestürzten Dach einer Gießerei tot gefunden. Ein 29-Jähriger starb in einer eingestürzten Fabrikhalle in Bondeno, etwa 15 Kilometer nördlich von Sant'Agostino.

Eine 37-jährige Deutsche, die sich aus beruflichen Gründen in Sant'Alberto di San Pietro in Casale in der Region von Bologna aufhielt, hat Medienberichten zufolge nach den Erdstößen Atemprobleme bekommen und starb. Sie soll obduziert werden. Die Behörden machten bislang keine Angaben über ihre Heimatstadt. Glück hingegen hatte ein fünfjähriges Mädchen, das bei dem Ort Finale Emilia fast unverletzt aus tonnenschweren Trümmern gerettet wurde.

Das Fernsehen zeigte schwer beschädigte Gebäude, Trümmer lagen auf den Straßen. Der Erdbebenherd habe in einer Tiefe von etwa zehn Kilometern gelegen, teilte das Nationale Geophysikalische und Vulkanologische Institut mit. In San Felice stürzte eine historische Kirche ein. Von dem Turm stand nur noch die Hälfte - das Zifferblatt der Turmuhr war in der Mitte durchgerissen. Viele historische Gebäude wurden schwer beschädigt. In Finale Emilia wurde ein Krankenhaus evakuiert. Auch Straßen waren unpassierbar, Züge waren verspätet.

Nach einem Augenzeugenbericht wurden auch in Ferrara historische Gebäude beschädigt. „Das Schloss hat geringe Schäden abbekommen, es sind einige Mauersteine heruntergefallen“, sagte Guido Barbujani, der im Zentrum der italienischen Stadt wohnt, der Nachrichtenagentur dpa. „Ich habe schon viele Erdbeben erlebt, aber noch nie so ein starkes.“ In der Nacht sei er wie viele andere Menschen auf die Straße gerannt. „Viele haben sich nicht mal richtig angezogen.“ Panik sei in seiner Umgebung aber nicht ausgebrochen.

Wissenschaftler des Deutschen Geoforschungszentrums in Potsdam zeigten sich von der Stärke des Erdbebens überrascht. Wie Geophysiker Winfried Hanka am Sonntag sagte, gehen die Potsdamer mittlerweile von einer Stärke von 6,1 aus. „Italien ist insgesamt gesehen stets von Erdbeben bedroht. Es gibt jedoch Regionen, wo das Erdbeben-Risiko geringer ausfällt“, erklärte Hanka. Hierzu zähle eigentlich auch Region Emilia-Romagna.

Das Beben war etwa so stark wie das von Aquila, das am 6. April 2009 die Stadt in den Abruzzen erschüttert und schwere Schäden angerichtet hatte. 300 Menschen starben damals. Bis heute sind Teile des historischen Stadtkerns gesperrt - der Wiederaufbau stagniert.