„Schrecklich schön“: Kriegserinnerungen aus Munition

Erfurt (dpa) - Schmuck aus Granaten: Das Stadtmuseum Erfurt packt von Sonntag an in einer Sonderausstellung „Schrecklich schön - Kriegserinnerungen aus Munition“ ein streitbares Thema an. Aus Material von den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges entstanden Schmuck, Trinkbecher, Messer oder Brieföffner.

„Schrecklich schön“: Kriegserinnerungen aus Munition
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Diese von Soldaten an der Front oder der Schmuckindustrie hergestellten Objekte wirkten heute befremdlich, skurril und zum Teil pervers, sagte Direktor Hardy Eidam am Donnerstag. „Für uns schwer vorstellbar: Mit diesen Trophäen wurden vorher vielleicht Menschen getötet.“

„Schrecklich schön“: Kriegserinnerungen aus Munition
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In dieser Ausführlichkeit seien sie bisher nicht wissenschaftlich aufgearbeitet und analysiert worden. „Wir holen etwas nach, das uns Deutschen gut tut.“ Die 127 Objekte aus der Sammlung eines früheren Museumsdirektors lenken bis zum 30. November den Blick auf ein bisher kaum beachtetes Kapitel in der deutschen Erinnerungskultur.

„Schrecklich schön“: Kriegserinnerungen aus Munition
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Kriegserinnerungen und Gebrauchsgegenstände aus Munition und Waffen gebe es bis heute. Auch Soldaten der Bundeswehr hätten etwa in Afghanistan solche Arbeiten angefertigt. Das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden habe Zeugnisse davon, die aber derzeit nicht zu sehen seien. Frankreich wolle in der großen Ausstellung über die Schlacht bei Verdun auch derartige Zeugnisse zeigen.

„Schrecklich schön“: Kriegserinnerungen aus Munition
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Eine Welle der Begeisterung sei zu Kriegsbeginn über die Völker Europas gerollt, sagte der Historiker und Vorsitzende des Freundeskreises des Museums, Steffen Raßloff. Sie fand ihren Ausdruck auch in Bilderrahmen aus Infanteriepatronen mit dem Bildnis des deutschen Kaiserpaares, gekrönt von einer vergoldeten Krone. „Die kunstvoll verzierten Reifen am Arm der Gattin in der Heimat waren auch Bekenntnis“, ergänzte Eidam.

In Briefen, Tagebüchern und Romanen über den Ersten Weltkrieg von Erich Maria Remarque, Ernst Jünger bis Ernest Hemingway sei dieses Phänomen des Sammelns von Munition zu Erinnerungszwecken beschrieben worden, sagte Raßloff. Sein Verein konnte die Sammlung für die Stadt Erfurt ankaufen. Remarque schildere in seinem Antikriegs-Roman „Im Westen nichts Neues“, wie gestandene Männer unter Lebensgefahr Führungsringe aus nichtexplodierten Granaten herausbrechen und schwer beladen mit diesen Beutestücken die Stellung wechselten.

All dies sei aus heutiger Sicht schwer vorstellbar, sagte Eidam. Man müsse sich in die damalige Zeit und Euphorie hineinversetzen. Die Ausstellung wird eingerahmt von drei großen Fotos: Frauen in einer Erfurter Gewehrfabrik, ein Schützengraben bei Verdun und Kriegsverletzte in einer Kirche in Kassel (Hessen). Sie verdeutlichen die Ernüchterung der Menschen angesichts Millionen Toter.

Ab Anfang 2015 ist die Schau beim Projektpartner, dem Museum für Sepulkralkultur Kassel, zu sehen. Beide Garnisonsstädte waren damals zu den größten Rüstungszentren im Kaiserreich aufgestiegen.