„Schwarzbauten“ am Dom
Historikerin weist nach: Die Stadt Köln hätte in der Umgebung des Doms nicht bauen dürfen.
Köln. Vermutungen hatte es immer schon gegeben, nun können sie als Tatsachen belegt werden: Einige Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft des Kölner Doms hätten nie gebaut werden dürfen. Dabei handelt es sich nicht um irgendwelche Häuser. Es geht um das weltberühmte Römisch-Germanische Museum sowie das nicht minder bedeutsame Museum Ludwig, die nur deshalb in der Nähe der Kathedrale stehen, weil die Stadt seinerzeit bestehende Verträge ignoriert hat.
"Der Zentral-Dombau-Verein hat von 1882 bis 1902 rund um die Kathedrale insgesamt 26Grundstücke aufgekauft und mit der Verpflichtung an die Stadt übertragen, dass diese für eine würdige Domumgebung sorgt", sagt die Historikerin Carolin Wirtz. Zu dieser Verpflichtung gehörte auch, so die Bonner Wissenschaftlerin, "die Grundstücke nach Abriss der darauf befindlichen Bebauung als öffentlichen Platz frei liegen zu lassen, nicht wieder zu bebauen und ausschließlich Fußgängern vorzubehalten".
Bei ihren Forschungen in den Archiven des Erzbistums Köln sowie der Dombauverwaltung sichtete die vom ZDV mit einer entsprechenden Forschungsarbeit beauftragte Wirtz zahlreiche Korrespondenzen, Berichte, Protokolle und natürlich die Originale der Grundstücksverträge. "Nachdem 1881 eigens ein Ausschuss gebildet worden war, beantragte der ZDV drei Lotterien, die der preußische Staat ausdrücklich mit der Auflage genehmigte, den Erlös zum Ankauf der benötigten Grundstücke für die Freilegung zu verwenden."
Das Buch beschreibt die Freilegung, die in drei Phasen erfolgte. Bemerkenswert ist, dass es bereits 1863, also Jahre vor Vollendung des Domes, zu zwei Vertragsabschlüssen mit der Stadt gekommen war. Zwei Firmen hatten angeboten, ihre Geschäftsgebäude zu verlegen, damit eine freie Sicht auf den Dom gewährleistet werde und so "an dem Dome zu Köln eine würdige Umgebung zu verschaffen und zu erhalten".
Rund fünf Millionen Goldmark, umgerechnet etwa 400 Millionen Euro, wurden dann ab 1882 in den folgenden knapp 20 Jahren vom ZDV aufgewendet. Die Stadt unterschrieb die bis heute gültigen Grundstücksverträge und verpflichtete sich, wie schon 1863, die würdige Umgebung zu schaffen - und zu erhalten. "Dies hat die Stadt aber nicht getan, jetzt ist sie gefordert, ihre Auflagen zu erfüllen", folgert ZDV-Präsident Michael H. G. Hoffmann.
Dabei weiß natürlich auch der Chef des renommierten Vereins, dass die Kölns Stadtverwaltung nun nicht mit der Abrissbirne anrücken und die Museen wird abreißen lassen. Gleichwohl kann Hoffmann mit der von Carolin Wirtz im Verlag Kölner Dom vorgelegten Dokumentation "Dass die ganze Umgebung des Domes ein würdige Gestaltung erhalte" die seit Jahren währende Debatte um eine der Würde des Bauwerks entsprechende Umgebung entscheidend befördern.
Sekundiert wird er dabei von Dompropst Norbert Feldhoff und Dombaumeisterin Professor Barbara Schock-Werner. Vor allem der Dionysosbrunnen sowie das frühchristliche Baptisterium an der Ostseite der Kathedrale "sind seit Jahren in einem unsäglichen Zustand", so Feldhoff.
Schock-Werner verwies in diesem Zusammenhang zudem auf das längst weit über Köln hinaus bekannte Problem mit den Skatern auf der Domplatte. "Eine Plage und Gefahr für Fußgänger", so die Dombaumeisterin, die zudem auf die hohe Geräuschbelastung, teilweise bis weit nach Mitternacht, hinweist: "Das ist manchmal wie Gefechtslärm." Feldhoff ergänzt: "Wir werden zwar jetzt nicht in den Krieg ziehen, aber sicherlich noch intensiver um die Domumgebung ringen und mit dem Buch für dauerhafte Unruhe sorgen."
Trotz dieser etwas martialisch anmutenden Töne betonen alle Seiten, eine breite und sachbezogene Diskussion führen zu wollen. Das will auch Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU), der versprach: "Ich werde die Verträge von den Juristen der Stadt rechtlich überprüfen lassen."
Dass die Stadt und insbesondere Schramma mit hohem persönlichen Einsatz in den zurückliegenden Jahren das Bild rund um den Dom entscheidend verbessert haben, wird auch von Feldhoff, Hoffmann und Schock-Werner betont. Dennoch gilt es, und das kündigte das Stadtoberhaupt auch sogleich an, über mögliche weitere Konsequenzen für das "integrierte Handlungskonzept" zu entscheiden, mit dem seit Jahren die Aufenthaltsqualität rund um den Dom optimiert wird. Schließlich wissen sie doch alle in Köln, dass es nicht darum geht, den Dom - wie es die kölsche Mundartgruppe Bläck Fööss besingt - in Köln zu lassen, weil er da einfach hingehört. Sondern darum, rasch zu klären, was da nicht hingehört.