Selbstfahrende Autos vor Hürden auf dem Weg in den Alltag

Berlin (dpa) - Autos, die nicht von allein fahren können, werde auf lange Sicht das Schicksal von Pferden ereilen, sagt Tesla-Chef Elon Musk.

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„Man wird nur aus sentimentalen Gründen eins besitzen“, prophezeite der Milliardär hinter dem Elektroauto-Hersteller jüngst die künftige Dominanz der Computer am Steuer.

Nun ist Musk, der seit Jahren versucht, dem Verbrennungsmotor Konkurrenz zu machen und in diesem Jahr gerade einmal gut 50 000 Autos auf der Straße bringt, bekannt für markige Sprüche. Aber auch im Rest der Branche hat sich die Überzeugung durchgesetzt, dass die Roboterwagen in den Alltag einziehen. „Selbstfahrende Autos werden kommen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche“, sagt Ralf Lenninger vom Autozulieferer Continental. Das Tempo, in dem sich die Industrie wandelt, zieht an.

Allein in den vergangenen Wochen überschlugen sich die Nachrichten. Toyota kündigte die Investition von einer Milliarde Dollar in künstliche Intelligenz für Fahrzeuge an. Ein Auto der französischen PSA-Gruppe von Peugeot und Citroen legte autonom rund 3000 Kilometer von Paris nach Madrid zurück. Tesla schaltete die Autopilot-Software frei, die unter anderem die Spur und den Abstand zum Vordermann hält. Der chinesische Internet-Konzern Baidu stellte überraschend eigene selbstfahrende Autos vor. In der Schweizer Stadt Sion sollen im Frühjahr zwei autonom fahrende Busse den Betrieb aufnehmen.

Und als Zeichen für die Demokratisierung der Entwicklung statte der 26-jährige George Hotz, der einst im Teenager-Alter als einer der ersten iPhone-Hacker bekanntwurde, innerhalb weniger Wochen in der Garage seinen Acura ILX mit allen Sensoren für autonomes Fahren aus.

Die Stimmung ist eindeutig: Beim autonomen Fahren geht nur noch um „wann“ und „wie“ und nicht mehr um das „ob“. Jetzt können sich die Anbieter auf das Lösen der neuen Probleme konzentrieren, die selbstfahrende Autos mit sich bringen, während sie andere - wie Unfälle durch menschliche Fehler - lösen.

Dazu gehört, die Rolle des Menschen am Steuer zu klären. Im Moment heißt es, der Fahrer solle jederzeit bereit sein, die Steuerung seines Automobils wieder selbst zu übernehmen. Aber genauso klar ist auch, dass es selbst erfahrenen Autofahrern schwer fallen wird, sich im Verkehrsgeschehen zurechtzufinden. Die Industrie sucht Antworten.

„Wir müssen erst einmal feststellen, ist der Mensch überhaupt in der Lage, wieder die Verantwortung zu übernehmen“, sagt Lenninger. Continental entwickelt deshalb Systeme zur Fahrerbeobachtung. Dabei kommen Kameras zum Einsatz, aber auch die Position im Sitz wird ausgewertet. Aus den Daten wird eine Reaktionszeit prognostiziert. Sie kann extrem gering sind - aber auch bei 13 bis 15 Sekunden liegen, wenn der Mensch am Steuer eingenickt sein sollte. Für solche Fälle ist ein „Notfallprogramm“ angedacht - zum Beispiel, dass das Auto einen Warnblinker einschaltet und an den Straßenrand fährt.

Der Internet-Riese Google, der seit 2009 an selbstfahrenden Autos arbeitet, entschied sich für eine radikalere Lösung. Die zukünftigen Google-Autos sollen ganz ohne Pedale und Lenkrad auskommen und die Kontrolle komplett beim Computer liegen.

„Es war eine schwierige Entscheidung“, räumt Chefentwickler Chris Urmson ein. „Aber wenn sie in einem Auto sitzen, dass die ganze Zeit von allein alles richtig macht, schwindet Ihre Aufmerksamkeit. Wenn Sie sich dann plötzlich ins Verkehrsgeschehen einschalten müssen, haben Sie nicht den Überblick über die Situation, wie Sie ihn üblicherweise hätten.“

Doch die kalifornische Straßenverkehrs-Behörde legt Googles weitreichenden Plänen zunächst einmal Steine in den Weg. Sie schlug Regeln vor, nach denen auch in Zukunft jederzeit ein Fahrer mit Führerschein in der Lage sein müsse, die Kontrolle über das Auto zu übernehmen. „Das konserviert den alten Status-Quo“, kritisierte Urmson in einem Blogbeitrag. Kurz davor war ein Google-Mobil in Mountain View angehalten worden, weil es aus der Sicht eines Polizisten zu langsam fuhr und den Verkehr bremste.

Viele neue Fragen stehen im Raum. Wie soll sich ein Computer bei einem nicht unvermeidbaren Unfall verhalten? Wen soll er zuallererst schützen? Google will dieses auch ethische Problem mit Algorithmen lösen. „In unserem Fall versucht das Auto zuallererst, Fußgängern und Radfahrern auszuweichen“, sagt Google-Entwickler Urmson. „Dann vermeidet es den Kontakt mit anderen fahrenden Fahrzeugen. Und erst an dritter Stelle kommen stillstehende Objekte wie Bäume.“

Der schwedische Autobauer Volvo, inzwischen in chinesischer Hand, preschte jüngst mit einem radikalen Lösungsvorschlag für eine damit verbundene zentrale rechtliche Frage vor. Volvo will bei eventuellen Unfällen mit seinen selbstfahrenden Fahrzeugen die volle Haftung übernehmen. Nach bisherigen Regelungen sind die Fahrer am Steuer verantwortlich. Die Bundesregierung fordert in einem Strategiepapier, Verkehrsregeln und Haftung anzupassen - und auch die Fahrausbildung.

Bei Continental hofft man auf die Fähigkeit der Software, Unfälle zu vermeiden. „Wenn ich ein selbstfahrendes Auto habe, werde ich in eine solche Situation gar nicht erst kommen“, sagt Lenninger. „Das ist ja schließlich der Gag am selbstfahrenden Auto.“