NRW-Landtag „Sie spielen mit den Lebenschancen junger Menschen“
Die Opposition im NRW-Landtag nutzt eine Umfrage bei den Grundschulen zur Abrechnung mit der rot-grünen Regierung.
Düsseldorf. Yvonne Gebauer, die schulpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im NRW-Landtag, geht gleich zu Beginn der Debatte zum Thema Grundschulen in die Vollen. „Die Landesregierung nutzt die hohe Eigenmotivation und das Engagement der Lehrkräfte schamlos aus.“ Als sie daraufhin Applaus aus Reihen der CDU und FDP erhält, stellt Gebauer klar, dass sie damit nur den Verband Erziehung und Wissenschaft zitiert habe. Dieser hatte bei der Präsentation der Ergebnisse einer Umfrage an Grundschulen vor ein paar Tagen kein gutes Haar an der rot-grünen Schulpolitik gelassen. Kernpunkte: Keine personelle Reserve für kurzfristigen Unterrichtsausfall, weniger Lehrkräfte als es dem von der Landesregierung festgelegten Personalschlüssel entspricht. Eine mit 24,13 Schülern pro Klasse zu hohe durchschnittliche Lerngruppengröße, nicht besetzte Schulleiterstellen an einem Drittel der Grundschulen.
Für Gebauer zeigt all das, „welche desaströse Wirklichkeit hier jenseits der rot-grünen Propagandapolitik“ vorherrscht: „Die Landesregierung spielt mit den Lebenschancen unserer jungen Menschen.“ Gebauer beklagt den Unterrichtsausfall und „die katastrophale Umsetzung der Inklusion“ (also des gemeinsamen Unterrichts von Schülern mit und ohne Behinderung). Dazu komme noch die Bewältigung der Flüchtlingssituation. Die FDP-Politikerin zitiert aus einem Brandbrief von Lehrern: „Für die Förderung von Begabten und sehr begabten Kindern und Jugendlichen, die für uns als heranwachsende Leistungsträger von morgen wichtig sind, stehen keine Ressourcen mehr zur Verfügung.“ Gebauers Fazit: Die Landesregierung lässt nicht nur kein Kind zurück, sondern sie holt viele Kinder erst gar nicht mehr ab.“
Für Renate Hendricks (SPD) sieht die Sache ganz anders aus. Die Grundschulen in NRW hätten in erheblichem Maße von den in dieser Legislaturperiode beschlossenen bildungspolitischen Maßnahmen profitiert: Allein 2015 seien mehr als 2800 neue Grundschullehrkräfte eingestellt worden. Die Personalausstattungsquote betrage aktuell 103,48 Prozent. Außerdem stünden den Grundschulen 1000 Stellen zur Bekämpfung des Unterrichtsausfalls und weitere 900 Stellen im Vertretungspool zur Verfügung.
Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) gesteht zu, dass im Bereich der Grundschulen noch einiges zu tun ist. Und auch ihre Zahlen zeigen, dass etwa die 1700 zusätzlichen Stellen für die Absenkung des Klassenfrequenzrichtwerts von 24 auf 22,5 noch keineswegs ganz greifen: 73 Prozent der Klassen haben maximal 25 Schüler, in 27 Prozent sind es 26 und mehr. Doch zum Beispiel bei dem Bereich Offener Ganztag, der für viele Eltern wegen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig ist, weist die Ministerin auf Erfolge hin: „Für das Schuljahr 2016/2017 stehen im Landeshaushalt 305 100 Plätze zur Verfügung. Dies bedeutet eine Steigerung um 75 100 Plätze seit 2010.“
Löhrmann und auch Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) halten der schwarz-gelben Opposition entgegen, dass diese in ihrer Regierungszeit selbst nicht dazu beigetragen habe, dass es heute genug Lehrer gibt. Die Schulministerin betont, dass es eine ihrer ersten Amtshandlungen gewesen sei, die auf 6500 gekürzten Referendarstellen auf 9000 anzuheben. Diese Lehrer würden sonst heute fehlen. Und Kraft betont: „Wenn man nicht ausbildet, kann man nicht einstellen. Und wer die Zahlen zurückgefahren hat, hat maßgeblich auch Verantwortung für die Situation, wie sie sich heute darstellt.“