Skandal um Drehbücher beim NDR

Fernsehfilm-Chefin ließ ihren Ehemann angeblich unter einem Pseudonym schreiben.

Hamburg. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hat sich mit sofortiger Wirkung von seiner Fernsehfilm-Chefin Doris J. Heinze getrennt. Heinze habe eingeräumt, jahrelang Filmstoffe angenommen zu haben, die von ihrem Ehemann eingereicht worden seien. In den Jahren 2001 bis 2009 habe ihr Mann fünf Drehbuchaufträge für Fernsehfilme, die er unter dem Pseudonym Niklas Becker schrieb, eingereicht.

Der NDR sei durch Recherchen der "Süddeutschen Zeitung" (SZ) auf den Fall aufmerksam geworden, hieß es in der Mitteilung. Laut "SZ" hat niemand beim NDR gewusst, dass Becker in Wirklichkeit der Ehemann von Heinze ist. In ARD-Presseheften sei eine erfundene Biografie des Autoren Becker veröffentlicht worden, wonach dieser in Kanada lebe.

Die "SZ" berichtet außerdem, ihr lägen Hinweise vor, dass "auch für nicht existierende Drehbücher Geld bezahlt worden sein könnte".

NDR-Intendant Lutz Marmor erklärte: "Gegen unlauteres Verhalten gibt es keinen absoluten Schutz. Die inzwischen vorliegenden Erkenntnisse haben uns keine andere Wahl gelassen, als uns von Frau Heinze zu trennen."

Zunächst habe der zuständige Programmbereichsleiter Thomas Schreiber die Leitung der Fernsehfilmredaktion übernommen. Eine weitere Mitarbeiterin wurde bis auf weiteres von ihrer Tätigkeit freigestellt. Sie und Heinze haben laut "SZ" keinen Zugang mehr zu ihren Büros: Die Schlösser wurden ausgetauscht.

Heinzes Anwalt Gerd Benoit räumte ein, dass seine Mandantin Drehbücher von ihrem Ehemann unter einem Pseudonym schreiben ließ.

Dem NDR zufolge ist es zwar nicht untersagt, dass Verwandte von Mitarbeitern Drehbücher schreiben. Doch dann müsse sich ein anderer - und nicht der Verwandte - um die Produktion kümmern.

Seine Mandantin entscheide nicht alleine über Produktions- und Auftragsvergaben, betonte Heinzes Anwalt Benoit. Ein NDR-Sprecher sagte, im Sender gelte das Vier-Augen-Prinzip. Die Redaktions- und die Produktionsleitung prüften die technische und wirtschaftliche Abwicklung von Auftragsvergaben. In den vorliegenden Fällen sei die MME-Tochter Allmedia komplett vom Sender mit der Herstellung der Produktionen beauftragt worden.

Der Sender habe daher keine Chance gehabt, die Identität des Drehbuchautoren zu überprüfen. Auch zwei Mitarbeiter von Allmedia sind zunächst beurlaubt worden.