„Sozialtourismus“ zum „Unwort des Jahres 2013“ gewählt
Darmstadt (dpa) - Die Zuwanderung nach Deutschland sorgt für scharfe Debatten. Der Begriff „Sozialtourismus“ ist nun laut und öffentlich gerügt worden. Er wurde von einer Jury zum „Unwort des Jahres“ gekürt.
„Sozialtourismus“ ist das „Unwort des Jahres 2013“. „Von einigen Politikern und Medien wurde gezielt Stimmung gegen unerwünschte Zuwanderer, insbesondere aus Osteuropa, gemacht“, begründete die Jury unter Vorsitz der Sprachwissenschaftlerin Nina Janich am Dienstag (14. Januar) in Darmstadt die Wahl. „Dies diskriminiert Menschen, die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchen, und verschleiert ihr prinzipielles Recht hierzu.“
Für das „Unwort“ gingen dieses mal 1340 Einsendungen ein, weniger als in den beiden Jahren davor. Die Jury besteht im Kern aus vier Sprachwissenschaftlern und einem Journalisten. Zum „Unwort des Jahres 2012“ war „Opfer-Abo“ gewählt worden, 2011 „Döner-Morde“. Die „Unwort“-Aktion gibt es seit 1991.
Auch dieses Jahr wählte das Gremium einen Begriff, der nicht oft vorgeschlagen worden war. „Sozialtourismus“ war dreimal genannt worden, „Opfer-Abo“ für 2012 nur einmal.
Am häufigsten genannt wurde für 2013 mit 45 Vorschlägen „Supergrundrecht“ - eine Bezeichnung, die während der NSA-Abhöraffäre der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich gebraucht hatte. Der CSU-Politiker vertrat die Ansicht, für Deutsche sei Sicherheit ein extrem wichtiges Recht, ein „Supergrundrecht“. Es stehe höher als andere Grundrechte.
Der Ausdruck „Sozialtourismus“ gehöre zu einer Gruppe weiterer Unwörter, die diese Stimmung befördern wie etwa „Armutszuwanderung“, sagte Janich weiter. „"Sozialtourismus" ist fast das gleiche wie "Armutszuwanderung". "Sozialtourismus" treibt die Unterstellung einer böswilligen Absicht jedoch auf die Spitze.“
Mit dem Begriff „Armutszuwanderung“ bezeichnet die CSU gering qualifizierte Migranten, die nach ihrer Einschätzung vor allem Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollen, aber kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Den Begriff „Sozialtourismus“ hat laut Jury jetzt Staatssekretär Günter Krings (CDU) aus dem Bundesinnenministerium neu in Umlauf gebraucht.
Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Matthias Höhn, forderte den Begriff „Sozialtourismus“ in der politischen Debatte zu ächten. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) begrüßte die Entscheidung der Jury.
Neben der unabhängigen Jury mit ihrer Sprecherin in Darmstadt wählt davon getrennt die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden das „Wort des Jahres“. Für 2013 wurde im Dezember das Schlagwort „GroKo“ bekanntgegeben. Der Kurz-Begriff für die große Koalition in Berlin charakterisiere am besten das zu Ende gehende Wahljahr.