Geldregen vor Weihnachten Spanische Weihnachtslotterie beglückt Corona-Opfer

Madrid · „Der Dicke“ wird er genannt - und dick war auch die Freude, die der Hauptgewinn der größten Lotterie der Welt Hunderten von Menschen in Spanien bereitete. Unter den Siegern sind auch zahlreiche Corona-Opfer. Es gab herzzerreißende Szenen und Rückblicke.

Mitarbeiter der Lotto-Annahmestelle Dona Manolita halten die Gewinnlose der Gewinner hoch und feiern.

Foto: dpa/Paul White

Zwei kleine Jungen haben zwei Tage vor Heiligabend Spanien mit einer vorzeitigen Bescherung in Aufregung versetzt. Im dunklen Anzug und mit Fliege zogen die Knirpse Unai und Alex am Dienstag im Madrider Opernhaus Teatro Real den Hauptgewinn der spanischen Weihnachtslotterie, die als größte und älteste Tombola der Welt gilt. Sie trugen die Glückszahl 72 897 und auch die Gewinnsumme kurz nach zwölf Uhr singend vor - und kurz darauf stürzten schon die ersten Beglückten jubelnd auf die Straßen.

Und es waren nicht wenige, die jubeln durften: Für ein ganzes Los beträgt die Summe des Hauptgewinns vier Millionen Euro. Da jede der 100 000 Losnummern wegen der großen Nachfrage aber 172 Mal aufgelegt wurde, verteilte „El Gordo“, der „Dicke“, wie der Hauptgewinn genannt wird, dieses Jahr die Rekordsumme von 688 Millionen. Insgesamt brachte die „Lotería de Navidad“ sogar gut 2,4 Milliarden Euro unters Volk. Es gibt nämlich viele kleinere Preise, mehr als 1800. Der Geldregen ging daher fast überall im Lande nieder. Auch viele Corona-Opfer hatten Glück im Unglücksjahr.

Etwa im andalusischen Badeort Punta Umbría, wo die Pandemie den Tourismussektor sehr schwer in Mitleidenschaft zog und „El Gordo“ nun 240 Millionen Euro ausschüttete. Enrique, der ältere Betreiber eines kleinen Vergnügungsparks, der dieses Jahr gar nicht öffnete, gewann mit einem sogenannten „Décimo“, einem für 20 Euro gekauften Zehntellos, 400 000 Euro vor Steuern. „Ich flippe aus, ich glaub's nicht“, sagte er dem Fernsehsender RTVE mit Sektglas in der zitternden Hand und den Tränen nahe. „Wir alle haben hier seit vielen Monaten kaum Einnahmen, müssen aber trotzdem Hypotheken und Steuern zahlen. Oft reicht das Geld gerade, um satt zu werden.“

Bürgermeisterin Aurora Aguedo jubelte vor Journalisten: „Unter den Siegern sind Fischer und Kleinunternehmer, denen die Lotterie in diesen sehr schweren Zeiten eine Riesenfreude bereiten wird.“ Wie in Punta Umbría war auch im katalanischen Reus der Geldregen mit ebenfalls 240 Millionen Euro des „El Gordo“ besonders heftig.

Nach Angaben der staatlichen Lotteriegesellschaft beglückte allein der „Dicke“ Menschen in 20 der 50 Provinzen des Landes. Aber praktisch überall in Spanien knallten Sektkorken, flossen Freudentränen. Im Überschwang vergaß der eine oder andere Gewinner sogar die Corona-Regeln und fiel Wildfremden um den Hals. Allerdings trugen fast alle Schutzmaske. Gefeiert wurde nicht nur zu Hause, sondern auch unter freiem Himmel und vor allem - der Tradition folgend - vor den Lotterieannahmestellen.

Es gab allerdings nicht nur Jubel, sondern auch herzzerreißende Szenen und Aussagen: „Meine Oma ist im Juli an Covid gestorben, mein Vater und ich sind arbeitslos geworden. Nun gewinnt meine Familie gleich mit drei Losen insgesamt mehr als eine halbe Million. Verrückt. Verrückt. Ich kann nicht richtig feiern“, sagte die 28-Jährige Architektin Pilar der Deutschen Presse-Agentur vor einer Lotterieverkaufsstelle im Madrider Viertel Chamberí.

Gemessen an der ausgespielten Gesamtsumme gilt die spanische Weihnachtslotterie als die größte Tombola der Welt. Die „Lotería de Navidad“ blickt auf eine mehr als 200-jährige Tradition zurück und gilt damit als die älteste weltweit. Die erste Ziehung fand bereits 1812 statt. Jedes Jahr wird das Riesenevent größer. Die über vierstündige Ziehung der Glückszahlen wurde wieder vor einem Millionenpublikum live im Fernsehen übertragen. Landesweit werden Tippgemeinschaften von Bürokollegen, Nachbarn, Kneipenfreunden und auch von ganzen Dörfern gebildet. Der Einzelne begnügt sich meistens mit einem Zehntellos. Der Spaß ist nicht billig: Ein ganzes Los kostet 200 Euro. Auch immer mehr Deutsche nehmen teil, laut Berichten zuletzt mehr als 150 000.

Die gezogenen Losnummern und auch die Höhe des jeweiligen Gewinns wurden der Tradition folgend erneut von insgesamt 18 Schülern des Internats San Ildefonso singend vorgetragen - einer Madrider Einrichtung für Kinder aus komplizierten Familienverhältnissen. Die Teilnahme ist für die oft schwer erziehbaren Kinder im Alter zwischen neun und 14 Jahren eine große Ehre. Besonders, wenn man - wie dieses Jahr Unai und Alex - den Hauptgewinn vorsingen darf.

Das große Los zieht aber dank des Verkaufsumsatzes von mehr als drei Millionen Euro und der 20-prozentigen Quellensteuer auf Gewinne von über 40 000 Euro vor allem der spanische Staat. Nach Schätzungen wird er dieses Jahr mindestens eine Milliarde Euro an Nettoeinnahmen erzielen. Wegen der Corona-Sonderausgaben ist das „Gordo“-Geld aber auch für den Staat dieses Jahr nötiger denn je.

(dpa)