Sprengung in Frankfurt: Ein Knall — dann fällt der Koloss
Fast eine Tonne Sprengstoff waren nötig, um den Uni-Turm zu bezwingen. Nie wurde in Europa ein höheres Haus gesprengt.
Frankfurt. Die bisher größte Hochhaus-Sprengung in Europa hat am Sonntag Frankfurts Skyline verkleinert. Der 116 Meter hohe Universitäts-Turm wurde innerhalb weniger Sekunden problemlos gesprengt.
Zu größeren Schäden kam es trotz der zentralen Lage mitten in der Stadt nicht. Lediglich drei einfache Fensterscheiben gingen zu Bruch, wie Einsatzkräfte und Auftraggeber berichteten.
Bei feucht-kühlem Wetter verfolgten nach Polizeiangaben rund 30 000 Schaulustige das Spektakel. Unter ihnen auch André Schewcow und seine Kollegin aus Wuppertal. Die beiden waren mit dem Auto angereist, aus beruflichem Interesse.
Schewcow darf auch sprengen. Ihn faszinierte vor allem, dass der massive Kern des Gebäudes wie ein Zollstock zusammenklappen soll. Sprengmeister Eduard Reisch sei in der Szene in Deutschland sehr bekannt. „Er ist ein sehr guter.“ Und so wie geplant lief es dann auch. Der 1972 erbaute Turm war das höchste Haus, das je in Europa mit Sprengstoff zum Einsturz gebracht wurde.
Fast eine Tonne Sprengstoff hatte Sprengmeister Eduard Reisch in 1400 Bohrlöchern gezündet, um das entkernte Gebäude aus 50 000 Tonnen Stahlbeton in einen Haufen Bauschutt zu verwandeln.
Dabei fiel — wie geplant — zunächst das Außengerüst des grauen Betonklotzes zusammen. Der Gebäudekern blieb noch einen Augenblick stehen und stürzte dann ebenfalls ein. Dabei kippte der obere 65 Meter lange Teil leicht nach Süden, der untere Richtung Norden.
Es stieg sofort eine orange-gräuliche Staubwolke auf, die sich aber nur auf die denkmalgeschützten Gebäude und die Grünanlage rund um den alten, sogenannten AfE-Turm niederschlug und rasch verzog. „Das Wetter war optimal dafür“, sagte Reisch. Die Wolke sei ungefährlich, sagte Ilmi Viqa, Geschäftsführer der Abbruchfirma AWR. Das Unternehmen hatte das einst Asbest haltige Gebäude entkernt, saniert und Reisch mit der Sprengung beauftragt. „Das Gebäude war total schadstofffrei“, versicherte Viqa.
Wenige Minuten nach der Sprengung hatte Reisch — um kurz nach 10 Uhr — Entwarnung gegeben. „Es hat alles wie am Schnürchen geklappt“, bestätigte der Einsatzleiter der Polizei Felix Paschek. Die Wucht der Detonation war noch über die Stadtgrenzen hinaus zu hören.
Um das Gebäude waren zwei Sperrzonen in einem Radius von bis zu 250 Metern eingerichtet worden. Die Zuschauer an den Absperrungen spürten zwei starke, böllerähnliche Schläge, als das Haus in sich zusammenfiel. Rund 1000 Helfer des Technischen Hilfswerks, der Feuerwehr, der Polizei, der Bundeswehr sowie der Abbruchfirmen waren im Einsatz. Mehrere Fernsehsender übertrugen das Ereignis live.
Eigens errichtete Erdwälle, mitgesprengte Wasserkanister sowie eine Wasserwand der Feuerwehr milderten die Folgen der Sprengung auf die umstehenden Häuser und Straßen ab. Zwei der 38 Stockwerke des Gebäudes waren extra mit dickem Vlies verkleidet worden, um Schäden zu verhindern.
Die Erdwälle bleiben in den nächsten drei bis vier Monaten noch stehen, bis der gesamte Bauschutt geschreddert und abtransportiert ist, wie Viqa sagte. Etwa die Hälfte soll das rund zehn Meter tiefe Fundament auffüllen.
„Heute wurde ein Stück Geschichte geschrieben“, sagte der Chef der städtischen ABG Holding, Frank Junker, der Auftraggeber der Sprengung. „Das war eine Punktlandung. Hut ab vor Planung und Ausführung.“
Reisch bedankte sich bei seinem Team mit den Worten: „Das war eine absolute Spitzenleistung.“ Er schwärmte von einer „Bilderbuchsprengung“, an der es nichts mehr zu verbessern gebe. Selbst die Bäume vor dem gesprengten Gebäude seien nicht beschädigt worden.