Im Spiegel der Kunst Städel Museum untersucht Geschlechterrollen

Frankfurt/Main (dpa) - Für den Maler Edvard Munch waren Geschlechterrollen einst klar definiert: „Da war es die Frau, die verführt und lockt und den Mann betrügt“, notierte der Norweger 1929 in sein Tagebuch.

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Frauen stilisierte er in seinen Bildern zu todbringenden Vampiren oder Harpyien, die den schwachen Mann ins Verderben rissen. Wie kontrovers Künstler im ausgehenden 19. Jahrhundert auf sich ändernde Rollenbilder reagierten, zeigt jetzt eine große Ausstellung im Städel Museum in Frankfurt mit dem provokanten Titel „Geschlechterkampf. Franz von Stuck bis Frida Kahlo“.

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Zu sehen sind bis zum 19. März rund 150 zum Teil weltberühmte Arbeiten unter anderem von Edvard Munch, Auguste Rodin, Gustav Klimt und Otto Dix. Viele der Gemälde, Skulpturen, Fotografien und Filme stammen aus der Sammlung des Städel, andere sind Leihgaben bedeutender Museen. Nur eines haben sie alle gemeinsam: In irgendeiner Art und Weise kreisen sie um die spannungsgeladenen Beziehungen zwischen Mann und Frau.

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„Mit unserer Ausstellung möchten wir zur Beschäftigung mit dem Thema des Geschlechterkonflikts anregen“, sagt Kurator Felix Krämer. Denn der Geschlechterkampf habe in letzter Zeit deutlich an Schärfe zugelegt. Doch statt auf aktuelle Werke setzen die Kuratoren Krämer und Felicity Korn auf die Zeit zwischen 1860 und dem Ende des Zweiten Weltkriegs und tauchen ein in die Epochen zwischen Symbolismus und Surrealismus.

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Die dazu ausgesuchten Werke sind vor allem eine chronologische Ansammlung von Stereotypen, Idealbildern und Identifikationsfiguren aus einer Zeit des großen Wandels: dem Beginn der Frauenbewegung, der Geschlechterdebatten und Sexualkontroversen der Weimarer Republik, der körperlichen Freizügigkeit nach dem Ersten Weltkrieg bis hin zu einer Synthese der beiden Geschlechter. Die Frau im Wechsel zwischen Femme fatale, Hure und Heiliger.

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Obwohl viele der gezeigten Arbeiten sexuell hochgradig aufgeladen sind, tatsächlich erotisch sind sie nur in wenigen Ausnahmen. Denn viele Gemälde haben auch Jahrzehnte nach ihrer Entstehung noch immer Schock-Potenzial. Jean Benners „Salome“ (um 1899) mit dem abgeschlagenen Kopf des Jochanaan. Franz von Stucks „Medusa“ (1892), die den Betrachter mit weit aufgerissenen Augen anstarrt. Gustav Adolf Mossas „Sie“ (1905), auf einem blutigen Berg toter Leiber sitzend. Karl Hubbuch zeigt 1930 einen „Lustmord“, Josef Scharl im Folgejahr eine „Misshandelte Dirne“ mit kahlem Kopf.

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Im Spiegel der Surrealisten erscheinen klischeebeladene Rollenbilder hingegen plötzlich ironisch überzeichnet. So präsentiert Meret Oppenheim in ihrer Installation „Mein Kindermädchen“ zwei weiße Pumps auf einem Silbertablett, die wie ein Brathähnchen zusammengebunden sind. Andere interessieren sich für die Figur des Androgyns, eines mythologischen Zwitterwesens mit männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen.

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Nur eines zeigt die Ausstellung, die sich als eine Art Bestandsaufnahme versteht, nicht: die künstlerische Reflexion männlicher Rollenbilder - auch wenn Titel und Macher eigentlich anderes suggerieren. Doch dazu fehlte nach Angaben des Museums schlicht das entsprechende Material. „Wir hätten gern mehr Männer gezeigt - auch unbekleidete Männer - aber es gibt dazu fast keine Werke“, räumt Krämer ein. Die wohl wichtigste Erkenntnis über Geschlechterrollen überhaupt.