Polizei kritisiert Justiz Zustand des Opfers nach Hamelner Verbrechen weiter kritisch
Hameln (dpa) - Nach dem brutalen Verbrechen an einer Frau in Hameln, die hinter einem Auto hergeschleift wurde, ist der Zustand der 28-Jährigen weiterhin kritisch. Sie schwebe nach wie vor in Lebensgefahr und liege im künstlichen Koma, sagte ein Polizeisprecher.
Der Ex-Lebensgefährte der Frau steht im Verdacht, sie im Streit um den gemeinsamen Sohn zunächst mit Messerstichen verletzt zu haben. Dann soll er sie mit einem Seil ans Auto gebunden und 250 Meter weit über die Straße geschleift haben. Das zweijährige Kind saß während der Fahrt im Auto.
Der Mann befindet sich wegen des Verdachts auf versuchten Mord in Untersuchungshaft. Das genaue Motiv für die Gewalttat am Sonntag ist weiter unklar.
Bereits zwei Tage vor der Tat habe der Beschuldigte gedroht, die 28-Jährige zu töten, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover, Thomas Klinge. Die Frau habe ihren früheren Lebensgefährten deshalb bei der Polizei angezeigt. Bei einer sogenannten Gefährder-Ansprache sei der Mann einsichtig gewesen.
Es gebe zudem Hinweise, dass der 38-Jährige auch schon früher gewalttätig gegen die 28-Jährige und deren Mutter geworden sei. „Die Überprüfung läuft aber noch“, sagte Klinge. Vorbestraft sei der Mann allerdings nicht. Der aktuelle Auszug aus dem Bundeszentralregister weise keine Eintragungen auf.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) hat die Justiz im Zusammenhang mit der Gewalttat von Hameln scharf kritisiert. Der 38-Jährige habe eine lange Gewaltkarriere hinter sich, sagte der Vorsitzende Rainer Wendt der „Passauer Neuen Presse“. Der Mann sei immer wieder mit Straftaten aufgefallen, aber dennoch nicht im Gefängnis gewesen. „Es wird sich ein Richter finden, der ihm auch jetzt wieder eine positive Sozialprognose geben wird“, kritisierte Wendt. „Die volle Härte des Gesetzes heißt heute oft, wir stellen von Straftätern die Personalien fest, und Richter lassen sie wieder frei“, sagte Wendt.
Klinge wies die Vorwürfe zurück. „Ich weiß nicht, woher Herr Wendt seine Erkenntnisse hat“, sagte der Oberstaatsanwalt. Der Deutsche Anwaltverein hielt dem Polizeigewerkschafter vor, „unseriös“ zu argumentieren und „populistische Klischees“ zu bedienen. Der Deutsche Richterbund (DRB) bezeichnete Wendts Äußerungen als „Dampfplauderei“. Die Justiz verfolge „jede Straftat in rechtsstaatlicher Art und Weise“, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. „Das heißt aber noch nicht, dass sie dabei stets zu dem Ergebnis kommt, das sich der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft aus dem Bauch heraus wünscht.“
Niedersachsens Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD) forderte Bürgerinnen und Bürger unterdessen bei SWRinfo auf, bei Gewalt gegen Frauen aufmerksamer zu werden. Man solle Frauen gezielt ansprechen, falls die Vermutung bestehe, dass sie Opfer sein könnten: „Weil wir wissen, dass häusliche Gewalt meistens da stattfindet, wo sich niemand kümmert, Nachbarn und der Rest der Familie nicht hinsehen“, sagte Rundt dem Sender.
In Hameln sollte am Mittwochabend eine Mahnwache als „Zeichen gegen Gewalt“ abgehalten werden. Er wolle gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern zeigen, „dass wir an der Seite des Opfers stehen“, sagte Oberbürgermeister Claudio Griese (CDU).