Sticheln gegen die Pannen-Hauptstadt hat Konjunktur

Berlin (dpa) - Ein wenig Schadenfreude konnte sich das polnische Fremdenverkehrsamt nicht verkneifen. „Der neue Hauptstadt-Flughafen wurde planmäßig eröffnet. In Warschau“, stichelte eine Agentur vergangene Woche im Anschreiben zu den Presseinformationen der Tourismusförderer.

Seitenhiebe auf die Pannen-Hauptstadt gehören spätestens seit dem Debakel um den Starttermin des Flughafens Berlin Brandenburg zum guten Ton. Die Tageszeitung „Die Welt“ begann ihren Bericht über den neuen Airport der amerikanischen Stadt Atlanta mit den Worten „Davon kann Berlin nur träumen“. Und das Online-Kulturmagazin „Perlentaucher“ kommentierte kürzlich ein Zitat des Chefs der Nationalgalerie mit dem Einschub: „Wir meinen dagegen: In Berlin kann man gar nichts ausschließen!“

Die Welle des Hohns hat sich zwar schon wieder etwas abgeschwächt, doch das Lästern - neudeutsch Berlin-Bashing genannt - geht weiter. Und treibt immer neue Blüten.

Die Souvenirhändler haben reagiert, Postkarten verbreiten Hauptstadt-Spott. So wie das Schwarz-Weiß-Porträt des früheren DDR-Staatschefs Walter Ulbricht mit dem leicht abgewandelten Zitat „Niemand hat die Absicht, einen Flughafen zu eröffnen“. Schon länger ein Schmunzel-Garant: „Die vier größten Feinde der S-Bahn: Frühling, Sommer, Herbst, Winter.“

Eines muss man den Berlinern dabei lassen: Humor ham se. Sie legen gern selbst den Finger in die Wunde. In der Bäckerei „Morgenbrot“ im Stadtteil Friedrichshain hat jemand das Hauptstadtgefühl auf ein DIN-A4-Blatt gedruckt. „Berlin. Wir können Alles. Außer...“, steht darauf, gefolgt von einem Flugzeug-Symbol, einem S-Bahn-Logo und dem Zeichen der 1. Bundesliga. Verschiebung, Chaos, Abstieg.

Die Selbstironie gehört zum Lebensgefühl an der Spree wie die Berliner Schnauze. Die Frage „Hatten Sie schon mal ungeschützten Schienenersatzverkehr?“ ist schon länger ein Bonmot, eine S-Bahn-Variante von „Mensch, ärgere dich nicht“ gibt es seit einigen Monaten im Netz.

Auch die regionale Presse hat Erfahrung darin, den realen Irrsinn in süffisante Schlagzeilen zu packen. Die „Berliner Morgenpost“ landete nach dem Flughafen-Desaster und dem Hertha-Abstieg einen Coup mit dem Slogan: „Berlin ist, wenn man nicht mal einen Flughafen braucht, um rauszufliegen.“ Die „taz“ lästerte nach dem Platzen des Flughafentermins, „Berlin kriegt keinen hoch“.

Für viele Auswärtige passen die wiederholten Pannen ins Klischee. Im Internet kursiert eine Deutschlandkarte aus Sicht der Bayern, die Berlin zu „Sodom und Gomorrha“ erklärt: Die Hauptstadt liegt dort irgendwo in der Region, „wo die Steuergelder verbraten werden“ und per Solidarzuschlag finanzierte „Prunkautobahnen“ durchs Land führen - möglicherweise auch eine Anspielung auf den Länderfinanzausgleich, durch den die Hauptstadt Milliarden Euro aus reichen Bundesländern zugeschoben bekommt.

Da kann Stadtchef Klaus Wowereit (SPD) noch so breit lächelnd abwiegeln. „Wir haben jetzt sogar zwei Flughäfen“, konterte er vor einigen Wochen im ZDF bei Markus Lanz kichernd. „Gucken Sie mal, wir hätten sonst nur noch einen gehabt.“