Suhrkamp steht vor dem Showdown
Berlin (dpa) - Seit Monaten tobt um den traditionsreichen Suhrkamp Verlag ein erbitterter Machtkampf. Am Mittwoch (13. Februar) droht vor dem Frankfurter Landgericht der Showdown - es sei denn, beide Seiten einigen sich in letzter Minute auf einen Kompromiss.
Danach sah es zu Wochenbeginn allerdings nicht aus.
Der Miteigentümer Hans Barlach machte in einem „Spiegel“-Interview noch einmal unmissverständlich klar, was seine conditio sine qua non ist: Er beharrt auf dem Rücktritt von Suhrkamp-Chefin Ulla Unseld-Berkéwicz. Die Verlegerwitwe hat ihrerseits Kampfwillen signalisiert. Sie werde „doch nicht vor einer Hürde, die den gesamten Verlag bedroht, scheuen und ausscheren, ehe sie genommen ist“, sagte sie kürzlich der „Zeit“.
So muss denn wohl Richter Norbert Höhne vom Frankfurter Landgericht am Mittwoch ein Machtwort sprechen. Vor der Kammer haben beide Seiten beantragt, sich gegenseitig als Gesellschafter auszuschließen. Sollte es dazu nicht kommen, verlange er die Auflösung der gesamten Gesellschaft, hatte Barlach bei einer mündlichen Verhandlung Anfang Dezember nachgeschoben.
Der Hamburger Medienunternehmer, Enkel des expressionistischen Bildhauers Ernst Barlach, ist mit 39 Prozent an Suhrkamp beteiligt. Unseld-Berkéwicz hält über eine Familienstiftung die Mehrheit von 61 Prozent.
„Beide Gesellschafter sehen sich offenbar wechselseitig als Inkarnation des Bösen“ - so hatte Richter Höhne im Dezember zusammenfasst und ungewöhnlich drastisch deutlich gemacht, was eine Auflösung der Verlagsgesellschaft bedeuten würde: „Einer der namhaftesten Teilnehmer am Literaturbetrieb der Nachkriegszeit droht zu verschwinden.“
Allerdings: Selbst über die Folgen einer solchen Entscheidung sind die Kontrahenten uneins. Nach Einschätzung von Suhrkamp-Rechtsanwalt Peter Raue würde es „theoretisch“ das Ende des Traditionsverlags bedeuten. Praktisch sei der Antrag allerdings bedeutungslos, weil ohne Aussicht auf Erfolg, sagte er nach der Verhandlung.
Barlach sieht dagegen die „Chance zu einem Neuanfang“. Im Falle eines Falles würde ja nicht der Verlag aufgelöst, sondern „nur“ die Kommanditgesellschaft, argumentiert er. Damit müssten zwar beide Seiten ihre Beteiligung verkaufen - ein Dritter oder auch sie selbst könnten diese Anteile jedoch wieder erwerben.
Versuche, im Vorfeld zu einer Lösung zu kommen, waren bisher gescheitert. Barlach lehnte den von Suhrkamp vorgeschlagenen früheren Kulturstaatsminister Michael Naumann als Vermittler wegen Befangenheit ab. Später hieß es, man habe sich auf zwei neue Mediatoren geeinigt, doch positive Signale gab es bisher nicht.
Barlach fühlt für seine Forderungen Rückenwind, seit ihm das Landgericht Berlin im Dezember in einem der zahlreichen anderen Verfahren spektakulär Recht gab: Der Richter erklärte Unseld-Berkéwicz rückwirkend als Geschäftsführerin abberufen.
Sie habe rechtswidrig für den Verlag Eventräume in ihrer eigenen Villa im Berliner Stadtteil Nikolassee angemietet und den Mitgesellschafter nicht wie notwendig informiert, so die Begründung. Die Verlagschefin hat Berufung eingelegt und will solange ihren Posten behalten.
Dass sich ein Kontrahent angesichts des Debakels ganz zurückziehen könnte, gilt gleichwohl als fast ausgeschlossen. Zwar haben bei Seiten angeboten, die Anteile des jeweils anderen zu übernehmen. Barlach geht, wie im „Spiegel“ nochmals vorgerechnet, von einem Unternehmenswert von 75 Millionen Euro aus. Seine Anteile wären damit rund 30 Millionen wert - kaum vorstellbar, dass dieses Geld bei Suhrkamp in der Portokasse liegt.
Umgekehrt fühlt Unseld-Berkéwicz sich dem traditionsreichen Erbe ihres Mannes verpflichtet. „Die Anteile der Stiftung waren und sind nicht verkäuflich“, betonte sie im Interview. Mit umso größerer Spannung wird deshalb die Entscheidung am Mittwoch erwartet. Alle Seite wissen inzwischen, dass im Interesse des Verlags ein Ende des Streits wohl das Allerwichtigste wäre.