Tamiflu – tatsächlich wirkungslos?
Forscher beklagen mangelnde Fallzahlen bei Untersuchung.
Düsseldorf. Das Medikament Tamiflu gilt als Wunderwaffe im Kampf gegen die Schweinegrippe, und der Schweizer Hersteller Roche verdient am Verkauf Milliarden. Doch es werden immer häufiger Zweifel laut, ob das Medikament tatsächlich die in es gesetzten hohen Erwartungen erfüllt.
Erst am Mittwoch schreckte "Spiegel-online" mit der Überschrift "Forscher bezweifeln Wirksamkeit von Tamiflu". Der Bericht basiert auf einer sogenannten Meta-Analyse, die Forscher der Cochrane Collaboration (CC), ein internationales renommiertes Netzwerk unabhängiger Wissenschaftler und Ärzte, in der Fachzeitschrift "British Medical Journal" (BMJ) veröffentlicht hatten.
Die CC-Experten hatten 20 wissenschaftliche Studien über das Medikament ausgewertet, dabei über einen "Mangel an guten Daten" geklagt - und laut "Spiegel" ein "vernichtendes Urteil" gefällt: Es gebe keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass Tamiflu Grippe-Komplikationen wie etwa eine Lungenentzündung verhindern könne.
Diese Feststellung sei aber nur vordergründig zutreffend, erklärt Medizinerin Regine Lehnert vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Nachfrage unserer Zeitung. Das BfArM ist zuständig für die Zulassung von Arzneimitteln in Deutschland. Dazu prüft es Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und angemessene pharmazeutische Qualität der jeweiligen Medikamente.
Die jetzt im BMJ veröffentlichten Ergebnisse der Cochrane Collaboration seien bekannt und auch "nicht überraschend", sagte Lehnert. Die CC-Wissenschaftler hätten in ihrer Analyse aber keinesfalls die grundsätzliche Wirksamkeit des Mittels infrage gestellt, sondern über mangelnde Fallzahlen bei Studien über Influenza-Komplikationen bei gesunden Menschen geklagt. Lehnert: "Es gibt insgesamt drei Studien mit jeweils 804 Menschen. Dabei zeigt sich zwar eine deutlich geringere Zahl von Influenza-Komplikationen gegenüber der mit einem Plazebo behandelten Kontrollgruppe, doch insgesamt waren die für die Analyse zur Verfügung stehenden Fallzahlen zu niedrig, um daraus einen wissenschaftlich fundierten Nachweis zu ziehen." Die somit fehlende wissenschaftliche Aussagekraft dürfe aber keinesfalls mit fehlender Wirkung gleichgesetzt werden, betonte Lehnert: "Die prophylaktische (=vorbeugende) Wirkung ist unbestritten, und auch in der direkten Behandlung ist der Wirkstoff moderat wirksam." Er verkürze die in der Regel fünf- bis siebentägige Krankheitsdauer um durchschnittlich 1,2 Tage.