Tarek B. — der Mann mit 20 Identitäten

Der in Paris erschossene mutmaßliche Islamist hat in sieben europäischen Ländern Asyl beantragt. LKA: Keine Hinweise auf Netzwerk.

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Düsseldorf. Der am 7. Januar in Paris erschossene Attentäter, der mit einem Fleischerbeil auf zwei Polizisten losgegangen war, ist nach Angaben von Uwe Jacob, Chef des Landeskriminalamtes (LKA) Nordrhein-Westfalen, „mit großer Wahrscheinlichkeit identifiziert“. Er soll Tarek B. heißen und aus Tunesien stammen, geboren 1991, so Jacob.

B. hatte seit 2014 unter dem Namen Walid Salihi als Asylbewerber in einer Recklinghausener Flüchtlingsunterkunft gelebt und war mit einer langen Strafakte polizeibekannt. Körperverletzung, Drogenhandel, Verstoß gegen das Waffengesetz, Diebstahl, sexuelle Belästigung, Beleidigung und Bedrohung — all diese Taten standen in seiner Akte. Der Mann hatte vier Wochen in Haft gesessen und zuvor zwei Wochen Arrest bekommen.

„Nach unseren Erkenntnissen handelt es sich bei B. um einen Einzeltäter“, versichert Jacob. Eine 60-köpfige Kommission des LKA, die seit vorletztem Freitag ermittelt, habe diese Erkenntnis gewonnen. Auch die französischen Behörden gehen mittlerweile von einem Einzeltäter aus, so der LKA-Chef. Jacob: „Es gibt kein islamistisches Netzwerk um diese Person in Recklinghausen.“

Wann er sich radikalisiert hat, ist laut LKA nicht feststellbar. Die Ermittlungen im Umfeld des Täters haben ergeben, dass diese Personen nichts davon mitbekommen haben, so der LKA-Chef. Die Untersuchungen des Handys förderten teils gelöschte Videos mit brutalem Inhalt zu Tage, deren Besitz aber nicht strafbar ist. So hatte B. die Aufnahmen von dem abgestürzten syrischen Piloten, der von IS-Terroristen gefangen und in einem Käfig bei lebendigem Leib verbrannt wurde, gespeichert.

Was Jacob Sorgen zu machen scheint, ist, wie leicht B. die Freizügigkeit der europäischen Grenzen ausgenutzt hat. Nach LKA-Recherchen konnte dieser mit insgesamt 20 zum Teil ähnlichen Identitäten neun Länder bereisen. Die Einreise in die EU erfolgte laut Jacob 2011 nach Rumänien. Dort und anschließend in Österreich, Italien, Luxemburg, der Schweiz (dort gab es sogar einen Haftbefehl), Deutschland und Schweden stellte B. Asylanträge. Zudem haben die Ermittlungen ergeben, dass er sich nicht nur jahrelang in Frankreich aufgehalten hatte, sondern auch in Belgien war.

Jacob kritisierte in diesem Zusammenhang die europäische Asyl-Datenbank Eurodac. Dort werden Fingerabdrücke mit Kennnummer, Ort und Datum des Antrags, Geschlecht des Antragstellers und dem Zeitpunkt der Abnahme der Fingerabdrücke vom betreffenden Staat an eine zentrale Datenbank vermittelt. Die Zentrale speichert die Daten unter einer Kennnummer mit Angabe des eingebenden Staats. Name und Adresse bleiben nur dem eingebenden Staat bekannt. Jacob forderte, der Polizei müssten alle Daten zur Verfügung gestellt werden, um die reisenden Straftäter erkennen zu können. Bisher werden noch nicht einmal die Personalien mitgeteilt, so Jacob.

Ein wesentlicher Hinweis auf die Identität des Paris-Attentäters stammt aus Rumänien. Dort waren B. 2011 Fingerabdrücke abgenommen worden. Rumänien hatte ihn seinerzeit unter dem nun bekannten Namen nach Tunesien abgeschoben. Da er dort auch aufgenommen wurde, spricht laut LKA-Direktor Jacob sehr viel dafür, dass der 24-Jährige auch tatsächlich aus Tunesien stammt.