Taub und blind: Wurde Frühchen falsch behandelt?

Die Eltern kämpfen seit Jahren vor Gericht. Sie fordern 320 000 Euro Schadensersatz von der Düsseldorfer Uniklinik.

Düsseldorf. Am 16. November wird Markus (Name geändert) neun Jahre alt. Feiern wie andere Kinder kann der Junge nicht, denn er ist blind, taub und schwer körperbehindert.

Seit Jahren kämpfen seine Eltern bislang vergeblich vor dem Gericht darum, dass ihr Sohn von der Düsseldorfer Uni-Klinik eine Entschädigung bekommt. Denn dort soll Markus, der nach 27 Wochen und fünf Tagen als Frühchen zur Welt kam, falsch behandelt worden sein.

Dies wird jetzt durch ein Gutachten untermauert, das im derzeit laufenden Zivilprozess vorgelegt wurde. Der Richter hat bereits deutlich gemacht, dass der Klage stattgegeben wird. Es geht um knapp 320 000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz.

Mittags um 13.57 Uhr wurde Markus mit einem Gewicht von 1210 Gramm geboren. Eine knappe Stunde später teilten die Ärzte den Eltern mit „alles sei gut“. Zwar wurde der Säugling als Frühchen auf die Intensivstation verlegt, doch zunächst schien alles normal zu laufen. Um 19 Uhr bekamen die Eltern die Nachricht, dass es ihrem Kind schlecht gehe.

Drei Tage später wurden bei Markus beidseitige Hirnblutungen festgestellt — mit katastrophalen Folgen. In der Klage werfen die Eltern dem Uni-Klinikum und drei Ärzten schwere Behandlungsfehler vor. So sei Markus mit einem Antibiotikum behandelt worden, das erst für Säuglinge ab drei Monaten zugelassen ist.

Die Uni-Klinik bestreitet alle Vorwürfe. Die Kreislaufüberwachung sei „zeitnah und konsequent“ durchgeführt worden. Außerdem sei ein Zusammenhang zwischen niedrigem Blutdruck und Hirnblutungen nicht nachweisbar.

Das sieht der unabhängige Gutachter ganz anders. Er hat Mängel bei der Überwachung des Kreislaufsystems festgestellt. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 94 Prozent wären die Schäden vermeidbar gewesen. „94 Prozent reichen mir“, kündigte der Richter an.

Wie hoch die Entschädigung sein wird, steht aber noch nicht fest. Zunächst soll ein Sachverständiger den Zustand des Jungen untersuchen. Eine Grundsatzentscheidung will das Gericht am 28. November verkünden.