Teenager für Kussfoto in Haft

Nur weil sie das Bild auf Facebook einstellten, werden ein junges Paar und der Fotograf verfolgt.

Rabat. Wenn zwei sich küssen und einer das fotografiert, können alle drei im Gefängnis landen — zumindest in Marokko. Dort sind zwei verliebte Teenager hinter Gittern gelandet, weil sie auf dem Online-Netzwerk Facebook ein Foto veröffentlicht haben, das sie bei einem Kuss zeigt. Auch der Fotograf sitzt wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ im Gefängnis.

Die 14 und 15 Jahre alten Jugendlichen müssen eine Haftstrafe von bis zu zwei Jahren befürchten. Dabei ist das Bild, wie das Nachrichtenportal Lakome.com es beschreibt, völlig harmlos. Es zeige „zwei sichtlich verliebte Teenager, die sich in die Arme nehmen und küssen“. Tatort war eine Straße in Nador, einer Küstenstadt im besonders konservativen Nordosten Marokkos.

Bekannt wurde das Foto durch lokale Medien, von denen einige wetterten, es handele sich um „Anstiftung zur Veröffentlichung unzüchtiger Inhalte“. Dies wiederum rief die „Organisation für die Menschenrechte und öffentliche Freiheiten“ — eine erzkonservative regionale Gruppe — auf den Plan. Prompt wurde Anzeige erstattet. Man sei davon überzeugt, das Richtige getan zu haben, denn „solche Bilder können von gewissen Menschen für Pornografie missbraucht werden“, erklärte Organisationschef Fayçal El Morsi auf Anfrage von Lakome.

Nachdem die drei Teenager am Donnerstag in Jugendanstalten in Nador und Fes gebracht worden waren, wo sie auf ihren Prozess am Freitag nächster Woche warten, wuchs die Empörung. Zahlreiche Facebook- und Twitter-User veröffentlichten aus Solidarität Kussfotos.

Marokko ist in Nordafrika vor allem für Frauen ein restriktives Land. Abtreibungen sind auch bei Vergewaltigungen verboten, die Haftstrafen können bis zu zwei Jahre betragen. Die Regierung räumt ein, dass in Marokko sechs Millionen Frauen regelmäßig Opfer von Gewalt werden. In mehr als der Hälfte aller Fälle schlagen die Ehemänner zu, ohne dass der Staat schützend eingreift. Ein Vergewaltiger kommt ohne Strafe davon, wenn er das Opfer heiratet.

Vor diesem Hintergrund mutet die „Facebook-Affäre“ nach Meinung vieler in Marokko wie ein Witz an. Vor der Jugendhaftanstalt in Nador veranstalteten Dutzende am Samstag einen Sitzprotest. Auf Facebook gibt es inzwischen die Seite „Solidarität mit den Jugendlichen von Nador — Ein Kuss ist kein Verbrechen“. Sie hatte am Sonntag, nur anderthalb Tage nach ihrer Einrichtung, bereits mehr als 4200 Unterstützer.