Thomas Struth fotografierte die Queen
London (dpa) - Bekanntgeworden ist der Fotograf Thomas Struth vor allem für seine Stadtansichten und einfühlsamen Familienporträts.
Als den bei Düsseldorf geborenen Künstler eine Anfrage der britischen National Portrait Gallery erreichte, ob er zum 60. Thronjubiläum ein Porträt von Queen Elizabeth II. und Prinzgemahl Philip machen wolle, da sei er erst mal „perplex“ gewesen, sagt Struth im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa.
Dann aber wurde es für den Künstler, dessen Arbeiten derzeit in München beim Verlag Schirmer/Mosel zu sehen sind, eine unvergessliche Erfahrung. Das Bild machte er mit einer Plattenkamera.
Wie war es, mit der Queen und Prinz Philip zusammenzuarbeiten?
Struth: „Ich war gut vorbereitet und beide haben sehr professionell mitgemacht. Sie sind sehr zielorientierte Personen und keineswegs umständlich. Ich hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass sie von Anfang an richtig präsent sein würden. Wir hatten zwar 45 Minuten ausgehandelt, aber die Sitzung hat dann nur 25 Minuten gedauert, was sie offensichtlich gefreut hat.“
Wie sind Sie ins Gespräch gekommen?
Struth: „Das war vielleicht nicht das Originellste, aber ich habe am Anfang zu ihnen gesagt: "Ich weiß, es ist nicht gerade das Schönste, fotografiert zu werden." Die Queen hat gelächelt und geantwortet: "We have some experience - wir haben da etwas Erfahrung"“
Wie haben sie sich vorbereitet?
Struth: „Meine Assistenten und ich sind drei Wochen vorher schon einmal zur Vorbereitung nach London geflogen und hatten einen Tag in Windsor Castle. Die Queen hatte drei Räume vorgeschlagen, den grünen, den weißen oder den roten Salon. Ich habe die Komposition entwickelt und das Licht getestet. Für das Sofa habe ich mich entschieden, weil ich es für ein älteres Ehepaar angemessener und für die Aufnahme besser fand, einen definierten zu Ort haben, so das sie nicht einfach in einem grösseren Raum stehen. Sie haben sich dann auch gleich so hingesetzt, wie ich es wollte und mir gedacht hatte.“
In Großbritannien wurde ihr Porträt als sehr einfühlsam und sanft gelobt. Wie haben sie diesen Ausdruck eingefangen?
Struth: „Die Frage der Präsenz und der atmosphärische Unterschied im Ausdruck der Augen verändern sich von Moment zu Moment. Wir haben zwischendurch gesprochen und da hat sie einmal kurz geschmunzelt. Ich glaube, es gab einen Moment, in dem sie kurzzeitig ohne ihren Schutzwall war. Insgesamt habe ich 22 Belichtungen gemacht - eigentlich nicht sehr viel. Es ist ein eigenartiges Phänomen: Man weiß dann, welches davon das Beste ist.“
Die Queen gehört zu den meistfotografierten Menschen der Welt. Gibt es für sie überhaupt noch einen Unterschied, ob sie fotografiert wird oder nicht?
Struth: „Sie kennt es ja nicht anders, aber ich glaube schon, dass es auch für sie natürlich Unterschiede gibt. Wenn man viele verschiedene Bilder der Queen genau betrachtet, dann sieht man, welch unterschiedliche Ausstrahlung sie jeweils hat. Man sieht Fotos, auf denen sie sich unwohl fühlt und Fotos, auf denen sie gelassener ist. Das sind aber eher wenige. Die Umgebung spielt eine Rolle, wie die Fotografen damit und mit der Situation insgesamt umgegangen sind.“
Was fanden Sie bei ihrem Porträt für die Umgebung wichtig?
Struth: „Wir hatten uns zunächst Räume im Buckingham Palast angeschaut, aber dann entschieden, dass die ganze Umgebung zu unruhig ist - mit den Touristen vor den Toren und der Energie Londons drum herum. Ich habe mir auch genau überlegt, welche Assistenten ich mitnehme, um eine freundliche, milde Atmosphäre zu schaffen, wer bei der Aufnahme noch mit im Raum sein sollte und wer nicht. Als sie dann kamen, war es eine sehr gefasste und angenehme Angelegenheit.“
Wie ist das, wenn sie jetzt, nach dem Treffen, Bilder der Queen sehen?
Struth: „Wenn ich sie jetzt im Fernsehen sehe, ist es ganz anders. Porträts von jemandem zu machen, schafft immer eine besondere Verbindung. Ich habe sie vor kurzem im Fernsehen bei der Eröffnung des Parlaments in vollem Ornat gesehen und habe mich fast erschrocken. Unglaublich, dass das dieselbe Person ist und in was für einer märchenhafter, skurrilen Umgebung sie durch ihre Funktion lebt. Heutzutage ist das aus deutscher Perspektive schon merkwürdig.“