Tim Renner wird neuer Berliner Kulturstaatssekretär
Berlin (dpa) - Vom Popgeschäft auf die Klippen der Kulturpolitik: Mit Tim Renner übernimmt ein Mann aus der Kreativindustrie das Amt des Kulturstaatssekretärs in Berlin - und wird damit Stellvertreter des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) als Kultursenator.
Knapp einen Monat nach dem Abgang von André Schmitz hat Wowereit einen Nachfolger präsentiert. Nach dem Verwaltungsfachmann Schmitz, der einst als Geschäftsführer der Deutschen Oper Berlin in die Politik wechselte, wird sich nun ein Manager aus der Privatwirtschaft um Musik und Theater, Museen und Bibliotheken der Hauptstadt kümmern.
Renner (49), ehemaliger Deutschland-Chef des Musikkonzerns Universal und des Labels Polydor, steht für jene Eigenschaften, die Wowereit immer wieder gern für das kreative Berlin anführt. Von einer Trennung zwischen E(rnst) und U(nterhaltung) halte er nicht viel, sagte Renner bei seiner Vorstellung im Roten Rathaus. „Das ist eine Diskriminierung für beide Seiten.“ Ihm sei Daniel Barenboim genauso wichtig wie der Szeneclub Berghain.
Tatsächlich jonglierte Renner immer wieder zwischen Rock, Klassik und Schlager. Ob Sting, Pavarotti oder Rosenstolz - als Plattenboss arbeitete er mit vielen Stars zusammen. Schon als Teenager spielte er in einer Punkband, die sich Quälende Geräusche nannte. Mit seinem Kassettenrecorder nahm er Bands aus dem Hamburger Untergrund auf und schnitt aus den Bändern Radioreportagen.
Später arbeitete Renner als Journalist, wechselte aber bald in die Musikindustrie. Er nahm Bands wie Elements of Crime und den Pop-Avantgardisten Philip Boa unter Vertrag. 1994 gründete er seine eigene Plattenfirma Motor Music und baute Bands wie Rammstein, Sportfreunde Stiller, Tocotronic, Muse und die Absoluten Beginner auf.
2004 gründete er in Berlin den Radiosender Motor FM, der heute - ohne Renner - unter dem Namen Flux FM firmiert. Mit motor.tv leistete Renner Pionierarbeit für die Verbreitung von Musik im Internet.
Diese Berufsbiografie dürfte nach dem Geschmack vieler Kreativer sein. Denn jene Kulturszene, die sich abseits der großen Theater und Opernhäuser in Berlin etabliert hat, fühlte sich von Schmitz lange vernachlässigt. Die Politik habe kein Interesse an den unabhängigen Künstlern wie etwa der Tanzkompagnie Sasha Waltz & Friends, lautete der Vorwurf. Sie seien aber ein wichtiges Aushängeschild für die Stadt als pulsierende Kulturmetropole. Die Hoffnung, einen Anteil an einer neuen „City Tax“ zu ergattern, zerstreute sich bald.
„Mit Tim Renner bekommen wir jemanden, der weiß, wie man eine Band zusammenstellt oder ein Tanzprojekt startet“, sagt Christophe Knoch, Sprecher der Koalition der freien Szene. Als SPD-Mitglied habe er außerdem gute Kontakte in die Berliner Regierungspartei. Allerdings stehe Renner wie sein Vorgänger Schmitz vor den gleichen Zwängen - dass nämlich der Löwenanteil des Berliner Kulturhaushalts von rund 370 Millionen Euro in Gehälter und Tarifsteigerungen fließt.
Auch aus der SPD gibt es die Hoffnung, dass Renner zwei Jahre vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus eine Brücke zu den jüngeren Künstlern knüpft. Für Frank Jahnke, Kulturausschuss-Vorsitzender im Abgeordnetenhaus, steht jetzt schon fest: „Er wird kein Opern-Staatssekretär.“