„Titanic“ zurück in Belfast

Belfast (dpa) - Schreiende Menschen, verzweifelte Rettungsversuche im kalten Wasser, gescheiterte Hoffnungen, und am Ende mehr als 1500 Tote - wer an die „Titanic“ denkt, der denkt an eine Katastrophe.

Jahrzehntelang wurde das Thema deshalb in der Stadt, in der der Ozeanriese gebaut wurde, totgeschwiegen. 101 Jahre nach Fertigstellung der „Titanic“ in den Werften von Belfast und 100 Jahre nach ihrem Untergang (15.4.1912) besinnt man sich dort jetzt wieder auf diese Geschichte. An diesem Samstag eröffnet ein beeindruckendes „Titanic“-Zentrum.

In einem riesigen neuen „Titanic“-Haus gleich an dem Ort, an dem das Schiff entstand, soll alles zusammenfließen, was die Stadt zu dem legendären Dampfer zu bieten hat. Eingebettet ist es in ein ganzes „Titanic“-Viertel, in dem neben Touristenzielen auch Büros und Wohngebäude entstehen sollen oder bereits stehen.

„Dies ist das größte "Titanic"-Erlebniszentrum auf der ganzen Welt“, sagt Marketing-Chefin Clare Bradshaw von Titanic Belfast, wie die eigens zur Betreuung des millionenschweren Projekts gegründete Firma heißt. Zwar wolle man auch der Tragödie gedenken und an die Opfer erinnern. Vor allem aber soll etwas in den Vordergrund rücken, das bislang vernachlässigt worden ist: Die lange vergessene Tatsache, dass der Bau der „Titanic“ in Belfast vor mehr als 100 Jahren ein Meisterwerk seiner Zeit war.

„Wir wollen die Leistung der Menschen in Belfast damals feiern und würdigen“, erklärt Bradshaw. Und schließlich gibt es wohl kaum einen Satz in der Stadt in Nordirland so oft zu hören wie diesen: „Als sie hier losfuhr, war mit der "Titanic" alles in bester Ordnung.“ Die Erbauer des Schiffes trugen am Unglück keine Schuld.

Herzstück des Besuchergeländes ist ein gigantisches neues Bauwerk - das Titanic Belfast getaufte Haupthaus. Vier einem Schiffsbug nachempfundene Spitzen ragen in den Himmel. Sie sind genauso hoch wie einst die Spitze der „Titanic“. Für die Außenfassade hat Architekt Paul Crowe rund 2000 verschiedene Aluminiumplatten anfertigen lassen, die fast wie Eisberg-Kanten wirken. Von weitem aus gesehen spiegeln sie das Licht in unzähligen Facetten und lassen das Gebäude seltsam entrückt erscheinen. Gekostet hat es 97 Millionen Pfund (etwa 115 Millionen Euro).

Im Innern erwartet den Besucher dann vor allem eine Tour durch die Geschichte der „Titanic“. Angefangen von der Idee, über den Bau, die Jungfernfahrt, die Katastrophe und deren Folgen bis hin zum Umgang mit dem Wrack heute - alles wird beleuchtet. Wichtig ist den Machern vor allem, dass das Ganze kein Museum ist. „Das ist kein Museum, sondern ein Erlebnis“, betont etwa Bradshaw. „Es gibt keine Exponate. Wir wollen vor allem die Emotionen der Besucher ansprechen und ihnen die Möglichkeit geben, die Geschichte selber nachzuvollziehen.“

Umgesetzt wird der Ansatz mit moderner Ausstellungstechnik. Projektionen, Geräusche, Gerüche, sogar Temperaturveränderungen gibt es. Originalmaterial wie Filme und Fotos malen ein Bild der Zeit und beleuchten, was die „Titanic“ damals für Belfast bedeutete. Welche Passagiere mit ihr auf Reisen gingen und warum, kann man anhand von Einzelbeispielen nachvollziehen. Nachbauten der Kabinen der ersten, zweiten und dritten Klasse erleichtern die Vorstellung, wie es sich damals auf dem Dampfer lebte.

Mit einem Gitteraufzug geht es einen meterhohen schwarzen Schacht hinauf - so sollen sich die Arbeiter damals gefühlt haben, die an dem Metallkoloss werkelten. Eine Fahrt mit Gondeln geht durch den Schiffsbauch, wie er gewesen sein muss, als in seinem Innern gehämmert und gebaut wurde.

Am Ende der Schau stehen Filmaufnahmen des Wracks der „Titanic“, das in fast 4000 Meter Tiefe auf dem Meeresgrund liegt. Titanic Belfast hat die Unterstützung von Wrack-Entdecker Robert Ballard gewinnen können, der es 1985 auf dem Meeresboden fand. Mit seiner Hilfe wird der Blick in Gegenwart und Zukunft gerichtet. Dabei gibt es auch einiges über Meeresbiologie zu lernen.

„Das hier ist kein Hollywood-Film“, sagt Ally Hill von der nordirischen Tourismusbehörde. „Die Ausstellung stellt die Geschichte richtig.“ Das Haus soll auch ein Treffpunkt für Belfast werden, rund herum entstehen deshalb ein Platz und eine Art Park. Die Betonfläche, auf der die „Titanic“ gebaut wurde und am 31. Mai 1911 vom Stapel lief, wird dabei integriert. In den Boden eingelassene Leuchten zeigen den beeindruckenden Umriss.

Die Etagen des Gebäudes, in denen keine Ausstellung ist, wurden für Feiern, Tagungen und andere Veranstaltungen im „Titanic“-Stil ausgestattet. Stolz sind die Macher dabei vor allem auf einen riesigen Raum, in dem die legendäre Holztreppe aus der ersten Klasse - bekannt unter anderem aus James Camerons „Titanic“-Film von 1997 - originalgetreu nachgebaut worden ist. Schon vor der Eröffnung war der Saal für zig Hochzeiten gebucht.

Wer nach der Schau noch nicht genug von der „Titanic“ hat, der kann das Trockendock besichtigen, in dem sie ausgestattet wurde, oder ein original erhaltenes Pumphaus. Zudem wird ein Zubringerschiff, das die Passagiere zu dem Dampfer fuhr, restauriert, und ist derzeit zumindest von außen zu sehen. Dasselbe gilt für die historischen Büros von Harland & Wolff, den Schiffsbauern hinter der „Titanic“. Und sollten echte „Titanics“, wie Fans in Insiderkreisen heißen, immer noch mehr wissen wollen: Schon länger widmet sich unter anderem das Transport- und Freilichtmuseum der Stadt der Zeit der „Titanic“.