Todesfahrer von Eppendorf bricht sein Schweigen
Hamburg (dpa) - Sieben Verhandlungstage lang schwieg er, am achten Prozesstag sagt der „Todesfahrer von Hamburg-Eppendorf“ erstmals aus. Er bestreitet, Epileptiker zu sein und bittet die Hinterbliebenen um Verzeihung.
Die Nebenklage nimmt ihm die teils ausweichenden Aussagen aber nicht ab. „Es tut mir unsagbar leid“, sagte er vor dem Landgericht Hamburg. Er wandte sich vor allem an die drei Söhne des Schauspielers Dietmar Mues, die vor Gericht als Nebenkläger auftreten. „Ich bitte um Verzeihung, könnte mir an Ihrer Stelle aber nicht verzeihen.“
Bei dem schweren Unfall am 12. März 2011 wurden vier Menschen getötet, darunter der Schauspieler Dietmar Mues und dessen Frau sowie der Sozialforscher Günter Amendt. Der Angeklagte räumte ein, in der Vergangenheit epileptische Anfälle gehabt zu haben. Zugleich bestritt der 40-Jährige aber vehement, dass er Epileptiker sei - obwohl er seit Jahren Medikamente dagegen nimmt. Das „tragische Ereignis“ in Eppendorf sei für ihn „aus heiterem Himmel“ gekommen.
Bei der Nebenklage stießen die Einlassungen des Angeklagten auf scharfe Kritik. „Kein Mensch glaubt ihm ein Wort“, sagte der Anwalt Wolf Römmig, der die drei Söhne des Ehepaares Mues vertritt. Er sei „empört und entsetzt“ über die Aussagen: „Das war das Gegenteil von einem Geständnis. Das wird ihm schwer schaden, was er heute gemacht hat.“ Auch die Entschuldigung des 40-Jährigen kritisierte Römmig: „Ich hab da wenig Empathie gehört, das war für mich gestellt.“
Laut Anklage hatte der Unfallfahrer unmittelbar vor einer Kreuzung einen Krampfanfall und war mit mindestens Tempo 100 über eine rote Ampel gerast. Sein Wagen schleuderte in eine Gruppe von Fußgängern und Radfahrern. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, dass er sich trotz seiner Epilepsie-Erkrankung ans Steuer gesetzt hat. Denn bereits zuvor hatte er drei Unfälle verursacht; dabei sollen teilweise ebenfalls Anfälle eine Rolle gespielt haben.
Anfangs monoton, mit zunehmender Verhandlungsdauer jedoch immer energischer sagte er zu seiner Vergangenheit aus: Seinen ersten Anfall habe er 1993 gehabt, als er gerade bei der Bundeswehr war. Seit 2005 nehme er anti-epileptische Medikamente. Einen der drei Unfälle, die er vor dem Crash in Eppendorf hatte, führte er nicht auf seine Krankheit, sondern auf ein technisches Versagen zurück.
Auch weitere Anfälle im Büro, die mehrere frühere Arbeitskollegen vor Gericht geschildert hatten, bestritt er. Seine Kollegen hätten sich möglicherweise „schlichtweg geirrt“. Er gab an, von diesen Kollegen längere Zeit gemobbt worden zu sein. In seinen Krankenakten aufgeführte Gehirnerschütterungen erklärte er damit, sich auf der Toilette oder unter dem Schreibtisch den Kopf gestoßen zu haben.
Die Vorsitzende Richterin Birgit Woitas warf ihm daraufhin vor, er unterstelle mehreren Zeugen, sie hätten das Gericht angelogen. Ob er seine Erkrankung richtig eingeschätzt habe? „Ich habe mich an das gehalten, was die Ärzte mir geraten haben“, sagte der Angeklagte.
Der 40-Jährige bestritt auch, dass ihn seine Verlobte nach schweren Anfällen im Büro abgeholt habe, um ihm frische Sachen zu bringen - das hatten zwei frühere Kolleginnen ausgesagt. Gegen die Lebensgefährtin ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts der Falschaussage. Die Frau - sie ist seit 15 Jahren mit dem Angeklagten zusammen - hatte vor Gericht erklärt, sie habe nie etwas von der Erkrankung ihres Freundes mitbekommen.
„Ich stehe vor einem Rätsel wie das passieren konnte“, sagte der Angeklagte. Die Antwort auf diese Frage bewege ihn seitdem - bisher habe niemand ihm eine Antwort geben können. Eins sei für ihn sicher: „Ich werde nie, nie wieder Auto fahren.“ Dass ein Auto ein Mordinstrument sein könne, habe sich bei ihm schon viel früher eingebrannt. Der Angeklagte sagte, er habe am Abend vor dem Unfall Cannabis konsumiert, was ihn stets beruhige - unter Einfluss des Cannabiswirkstoffs THC habe er nie einen Krampfanfall gehabt.