Tradition: Riskante Rituale der Franzosen

Bizarre und häufig gefährliche Mutproben sind an Schulen, Unis oder bei der Feuerwehr trotz eines Verbots an der Tagesordnung.

Paris. Die Tat ereignet sich in der Nacht vom 4. auf den 5. Juli. Der Tatort: die Feuerwache des Städtchens Callas im Département Var. Das Opfer: ein junger Feuerwehrmann von der Loire. Die Täter: Kollegen der Freiwilligen Feuerwehr.

Für die "Aufnahmeprüfung" des 27-Jährigen haben sie sich ein besonderes Ritual ausgedacht. Zuerst entkleiden sie den Neuen und reiben ihn mit erhitzter Schuhcreme und einem alkoholhaltigen Gel ein.

Als einer der beiden Anstifter das Feuerzeug zückt, um die Schamhaare des Opfers abzubrennen, steht der 27-Jährige in Flammen. Nach einer Woche voller Schmerzen bricht er sein Schweigen und erstattet Anzeige.

Vom Gericht in Draguignan bekamen die beiden Anstifter, 26 und 32 Jahre, jetzt die Quittung. Die Richter schicken sie für zwölf beziehungsweise sechs Monate ins Gefängnis. Dafür, dass sie keine Vorstrafen aufweisen, erwiesen sich die Richter als streng. Die Staatsanwälte hatten nur die Hälfte des tatsächlich verhängten Strafmaßes gefordert.

Doch der Justiz geht es um ein sichtbares Exempel. Rituale à la Callas gelten als eine Art Volkssport, "Bizutage" genannt. Ein Begriff, der mit "Mutprobe" unzureichend übersetzt ist.

In der harmlosen Spielart handelt es sich um Initiationsrituale unter Gymnasiasten oder Studenten: eine Mischung aus Spiel, Sport und Schabernack. Doch den weitaus größeren Reiz suchen sie offenbar im Verbotenen, in der bewussten Grenzüberschreitung.

So wird aus Jux brutaler Ernst und die Rituale arten aus in Demütigung und Quälerei. Mitunter sind Opfer nach dem Martyrium derart am Boden zerstört, dass sie Suizid begehen.

Schon vor über zehn Jahren suchte der Staat dem Treiben einen Riegel vorzuschieben. Frankreich stellte die "Bizutage" als eines der ersten Länder unter Strafe. Doch von einer abschreckenden Wirkung kann keine Rede sein.

Ein Magazin dokumentierte jetzt, dass das Treiben weiter geht - in aller Heimlichkeit, versteht sich. So berichtet Anne, eine Medizinstudentin: "Ich musste rohen Fisch mit rohen Zwiebeln essen und über Exkremente rutschen, ich heulte nur noch." Damit nicht genug: Am Ende musste die Studentin auch noch einen toten Schweinskopf küssen.