Merkwürdiger Ernährungstrend Trockennudeln als Schülersnack
Die asiatischen Tüten genießen bei Kindern und Jugendlichen Kultstatus — und zwar ohne Aufbereitung mit Wasser. Eltern wissen oft nichts von dem Trend.
Köln. Die Berrenrather Straße liegt in Köln-Sülz. Das Viertel ist bei Familien beliebt. Man wählt rot-grün, auf der Straße können gleich zwei Öko-Supermärkte vis-a-vis existieren, gesunde Ernährung ist hier wichtig. Und dann gibt es die Bushaltestelle Konradstraße. Viele Schüler müssen hier warten — und ernähren sich in der Zeit auf ihre Weise: mit einer Tüte asiatischer Trockennudeln.
Sie heißen Yum Yum, Thai Chef oder Magic Asia. Ihnen allen ist gemein, dass sie schülergerecht billig sind: mal 30 Cent, mal 40, mehr muss man selten ausgeben. Zu finden sind sie in Supermarktregalen, Asialäden, aber auch an Kiosken. Und unter Schülern genießen sie Kultstatus.
Und das seit Jahren. Die ersten Berichte tauchten schon kurz nach der Jahrtausendwende in Berlin auf. Von dort eroberte der Trend die Schülerszene der Republik und hält bis heute an. Lydia Kim betreibt den Seoulshop an der Berrenrather Straße seit 2012 und hat die beliebten Suppen im Angebot. „In den vergangenen zwei Jahren ist die Nachfrage noch mal angestiegen.“ Zwei Gymnasien und eine Grundschule liegen in unmittelbarer Nähe.
Kim mag daran nichts Bedenkliches erkennen. „Das ist lecker.“ Der Kult erinnert sie an Tüten mit Trockenkeksen, die sie noch aus ihrer Kindheit in Korea kennt. „Die Suppen sind auch nicht nur bei Schülern beliebt, sondern auch bei vielen Erwachsenen.“ Diese allerdings nutzen sie dann in der gedachten Form, gießen heißes Wasser dazu und ergänzen sie mitunter noch durch frisches Gemüse.
Die Schülerzubereitung sieht anders aus: Die zum Block gepressten Trockennudeln werden in der noch verschlossenen Tüte zerbröselt. Nach dem Öffnen kommt die beigefügte Gewürzmischung dazu, während auf die ebenfalls enthaltene Ölpaste meist verzichtet wird. Dann geht es nur noch darum, die Nudelkrümel möglichst ohne Verlust aus der Tüte in den Mund zu kippen.
Eltern, die morgens gerne überlegen, mit welcher Rohkost sie ihr Kind heute durch den Tag bringen sollen, ist der Trockennudel-Snack oft noch völlig unbekannt. Werden sie darauf angesprochen, schütteln sie ungläubig mit dem Kopf — und erfahren erst bei Nachfrage, dass ihre Jüngsten seit Jahren begeistert zugreifen.
Auch Ökotrophologen ist der Trend oft verborgen geblieben. Wenn nicht, stoßen ihnen unter den rund 30 Zutaten vom Kaffeeweißer bis zum Hühnchenaroma gerade die Geschmacksverstärker auf, darunter das in Asien beliebte und wissenschaftlich heiß umstrittene Glutamat (E621). „Die Geschmacksempfindlichkeit kann durch den häufigen Verzehr recht salziger Lebensmittel und Geschmacksverstärker abstumpfen. Dies führt dazu, dass eine normal gesalzene Speise dann nicht mehr als ausreichend würzig empfunden und nachgesalzen wird“, sagt Urte Brink, Ökotrophologin aus Bergisch Gladbach. Ansonsten rät sie dazu, beim Verzehr genug Wasser zu trinken.
Aber was ist Gesundheit schon gegen Kult? „Die Tütensuppen werden gegessen, weil sie in sind“, sagt die Kölner Gymnasiastin Leonie (16). Halt so cool wie Chips, nur billiger. Vor allem Jungen griffen zu und gerade in der Unterstufe sei der Snack sehr beliebt. „Ab Klasse 9 oder 10 hört das dann irgendwann auf.“
Für Firmen ist der Trockennudelmarkt ein kontinuierlich wachsender Markt. Maggi (Nestlé) legt um jährlich 3,4 Prozent zu, auch wenn der Schülerverzehr nicht in die Marktforschung einfließt, sondern nur „aus persönlichen Beobachtungen“ bekannt ist, wie es auf Anfrage heißt. „Wir empfehlen den Verzehr unserer Produkte stets so, wie auf der Zubereitung angegeben. Dennoch ist eine gesundheitliche Gefährdung bei Trockenverzehr auszuschließen.“
Nach eigenen Angaben macht Maggi in der Trockennudelsparte einen jährlichen Umsatz von 7,8 Millionen Euro und hat damit einen Marktanteil von 22 Prozent. Ohne Discounter nimmt das Unternehmen mit 37 Prozent sogar die Marktführerschaft für sich in Anspruch.
Paula (13) hat sich aus dem Marktsegment inzwischen verabschiedet. Die Leverkusener Neuntklässlerin hat gleich drei Gründe dafür: „Unser Kiosk verkauft die Suppen nicht mehr, sie sind ungesund und ich bin jetzt Vegetarierin.“