Trompete allein ist auch nicht alles

Jazz-Musiker Till Brönner (39) geht auf Deutschland-Tournee — mit Interpretationen von Bach bis Bowie.

Frankfurt. Till Brönner gehört zu den erfolgreichsten Jazz-Trompetern Deutschlands. Seit er in der Jury der Castingshow „X Factor“ bei Vox sitzt, kennen ihn auch Menschen, die dem Genre sonst wenig abgewinnen können. Bei seiner aktuellen Tour ist der gebürtige Viersener auch in unserer Region zu sehen.

Herr Brönner, Sie sind wieder Juror bei „X Factor“. Was reizt Sie an diesem Job?

Brönner: Es gewinnt der mit dem größten Talent. Ich kann dort über Musik reden — insofern ist das einfach eine weitere Facette meines Schaffens.

Es kommt nicht so oft vor, dass sich ein Echo-Gewinner und Grammy-nominierter Jazzer mit 14 Soloalben in solch eine Show verirrt.

Brönner: In Amerika sitzt dort mittlerweile die „Crème de la Crème“. Meine Jury-Kollegen aus der ersten Staffel sind aber absolute Profis. George Glueck ist ein extrem erfahrener Musikfachmann und Produzent. Und Sarah Connor ist eine Vollblutmusikerin, mit der man sehr gut über Gesang, Talent und Technik reden kann.

Auf Ihrer neuen CD „At The End Of The Day“ interpretieren Sie Klassiker von Bach über Beatles bis Bowie. Was macht die Qualität von Liedern aus, die „Am Ende des Tages“ bleiben?

Brönner: Aus meiner Sicht sind es die zeitlosen, trendfreien Songs, die auf lange Sicht Bestand haben. Die Auswahl der Songs auf meinem Album ist natürlich rein subjektiv. Ich wollte kein Statement abgeben über die Essenz des Pop — das wäre ja vermessen.

Sie spielen nicht nur Trompete, sie singen auch.

Brönner: Immer dann, wenn eine menschliche Stimme ertönt, rückt jedes noch so perfekt beherrschte Instrument in die zweite Reihe — weil die menschliche Stimme das perfekte Instrument ist. Ich kenne viele Musiker, die nichts anderes tun als ihr Instrument zu spielen — das alleine macht auch nicht glücklich.

Was erwartet die Zuhörer bei Ihrer Tournee?

Brönner: Die Improvisation ist der Kern des Jazz und damit auch meiner Konzerte. Wenn ich in Konzerte gehe, möchte ich nicht, dass ein Künstler genau das nachspielt, was er auf CD aufgenommen hat.

Sie sind musikalisch ungewöhnlich offen und verweigern sich als Jazzer nicht dem Pop. Woher kommt diese Vielseitigkeit?

Brönner: Als Jugendlicher war ich nicht per se von Jazz umgeben. Dennoch: Als ich das erste Mal Charlie Parker gehört habe, war es, als würde die Welt nach schwarz-weiß auf einmal bunt werden. Die Musik der 80er Jahre habe ich damals gehasst, aber ich musste ihr auf den Grund gehen, um meine Ablehnung zu begründen. Ich denke, dass dadurch auch meine Neugier auf andere Musikstile geweckt wurde.

Im Herbst ist ein Buch von Ihnen erschienen („Talking Jazz“). Was ist mit Ihren Plänen einer Jazz-Akademie?

Brönner: Deutschland hatte eine Zeit, in der es nichts Hipperes gab, als unter Strafe verboten Jazz zu hören oder gar zu spielen. Ein „House of Jazz“ wäre eine gute Form der Wiedergutmachung. Bei all den Denkmälern, mit denen wir der Welt zeigen, dass wir etwas aus unserer Geschichte gelernt haben, gibt es viel zu wenig lebendige Denkmäler.