Krieg in Ukraine Wie verzweifelt ist Putin wirklich? Das sagen Militärexperten

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock wertet im ZDF-Talk bei Markus Lanz die jüngsten Ankündigungen des russischen Präsidenten als Verzweiflungstat. Doch was lässt sich am Kriegsverlauf ablesen? Ein Überblick.

Wladimir Putin droht und will Hunderttausende Russen in den Krieg schicken. Steht er mit dem Rücken zur Wand?

Foto: dpa/Sergei Bobylev

Die Teilmobilisierung Russlands zeigt laut Außenministerin Annalena Baerbock, „wie verzweifelt der russische Präsident ist“. Das sagte sie am Mittwochabend im Talk bei Markus Lanz im ZDF. Ähnlich reagierten viele westliche Politiker nach der Ankündigung des russischen Präsidenten. Doch wie verzweifelt ist Wladimir Putin angesichts des Kriegsverlaufs in der Ukraine wirklich? Was Militärexperten dazu sagen:

Westliche Militärexperten bezweifeln, dass Russland mit seiner Teilmobilisierung das Kriegsgeschehen in der Ukraine rasch zu seinen Gunsten wenden kann. Die Soldaten würden in erster Linie für die Rotation erschöpfter Truppen sowie das Halten von Stellungen über den Winter hinweg gebraucht, schrieben Militärexperten auf Twitter.

Das renommierte Institute for the Study of War schätzte ein: „Russlands Teilmobilisierung wird der Ukraine nicht die Möglichkeit nehmen, mehr besetztes Gebiet bis zum und im Winter zu befreien“. Weiter hieß es in dem am Donnerstag veröffentlichten Lagebericht, dass Russland mit der Teilmobilisierung keine bedeutsame, einsetzbare Kampfkraft für die kommenden Monate erzeuge.

Der Militärexperte Mick Ryan schrieb auf Twitter, dass die russischen Truppen seit fast acht Monaten im Kampfeinsatz in der Ukraine seien, was mehr als die üblichen drei bis vier Monate seien. „Das ist eine erschöpfte Truppe, die eine Rotation benötigt. Diese Rotation wäre ohne Teilmobilisierung nicht möglich gewesen.“ Es gehe mehr um Rotation und Ersatz als um den Aufbau von irgendeiner großen Offensivkraft Russlands.

Der Militärhistoriker Phillips P. OBrien schrieb auf Twitter, die Teilmobilisierung sei ein Minimum gewesen, was Russlands Präsident Wladimir Putin tun konnte. Ansonsten hätte seiner Armee die Gefahr gedroht, dass ihr die Soldaten in der ersten Hälfte 2023 ausgehen. „Das scheint mehr ein Schritt zu sein, der die Niederlage Russlands hinauszögert.“

Alex Lord von der Sibylline Strategic Analysis Firm in London sagte CNN: „Das russische Militär ist derzeit nicht dafür ausgerüstet, schnell und effektiv 300 000 Reservisten einzusetzen. Russland kämpft jetzt schon damit, seine professionellen Kräfte in der Ukraine effektiv einzusetzen - nach den bedeutsamen Verlusten an Ausrüstung während des Krieges.“

Der Militärexperte Rob Lee schrieb auf Twitter: „Dieser Schritt ist dazu konzipiert, einen Zusammenbruch der russischen Linien vor dem Frühling zu verhindern.“ Das werde kurzfristig helfen, aber nicht auf lange Sicht.

Der deutsche Militärexperte Nico Lange sagte im Interview mit dem Sender Bayern 2 (radioWelt am Morgen): „Militärisch wird so eine Mobilmachung jetzt nicht weiterhelfen.“ Die Teilmobilmachung führe nun zu schlechter Stimmung in Russland, und viele junge Männer würden versuchen, das Land zu verlassen.

(red/dpa)