„Unser Balzac des Films“ - Regisseur Monicelli tot

Rom (dpa) - „Ich habe weniger Angst vor dem Tod als vor dem Tag, an dem ich aufhöre zu arbeiten“, sagte Mario Monicelli 2006 bei den Dreharbeiten seines letzten Spielfilms „Le rose del deserto“.

Am Montagabend stürzte sich der italienische Meisterregisseur im Alter von 95 Jahren aus dem fünften Stock des römischen Krankenhauses „San Giovanni“. Er soll auf der Stelle tot gewesen sein. Seit Sonntag hatte er sich in der Klinik aufgehalten, um einen Prostata-Krebs behandeln zu lassen, wie italienische Medien berichteten.

Der Filmemacher war einer der letzten Großen des italienischen Nachkriegskinos. Monicelli wurde in einem Atemzug genannt mit Federico Fellini und Michelangelo Antonioni, Luchino Visconti und Vittorio de Sica. Als Genie der italienischen Filmkomödie stand der gebürtige Toskaner jedoch weniger für neorealistische Filmästhetik, als vielmehr für die italienische Nachkriegskomödie.

Streifen wie etwa „La grande guerra“ (Man nannte es den großen Krieg) von 1959 mit dem einmaligen Paar Alberto Sordi und Vittorio de Sica in den Hauptrollen sind bis heute unvergessen. Seine Rififi- Parodie „I soliti ignoti“ (Diebe haben's schwer), in der er 1958 der damals noch völlig unbekannten Claudia Cardinale zum Durchbruch verhalf, machte Filmgeschichte. Das Gleiche gilt für seine Totò- Kassenschlager: „Totò cerca casa“ (Totò auf Wohnungssuche), „Guardie e ladri“ (Räuber und Gendarm) und „Totò e Carolina“ (Totò und Carolina).

Dass er sich lieber das Leben nehmen wolle als „ein Leben, das keines mehr ist“, zu führen, wurde ihm nachgesagt. Sein Sprung aus dem Fenster scheint daher nur konsequent, doch die italienische Filmwelt steht unter Schock. „Einen Selbstmord habe ich nicht erwartet, aber Mario hätte gesagt: Das ist meine Sache“, kommentierte der italienische Schauspieler und Freund Monicellis, Michele Placido (Allein gegen die Mafia). „Wir haben uns vorgemacht, Monicelli wäre unsterblich, so unermüdlich war sein Arbeiten, so endlos seine Projekte in petto“, kommentierte der ehemalige Bürgermeister von Rom und begeisterte Cineast Walter Veltroni. Die italienische Schauspielerin Stefania Sandrelli interpretierte Monicellis Todessprung als letzte „extreme Geste der Freiheit“.

Im Mittelpunkt von Monicellis Werken steht fast immer das Milieu des kleinen Mannes. Auf spielerische Art gelang dem Regisseur stets aufs Neue die satirische Darstellung eines typisch italienischen Kleinbürgertums, die in ihrer komödiantische Repräsentation der Wirklichkeit bis auf Boccaccio, Machiavelli und die Commedia dell'Arte zurückgeht, ohne jemals provinziell zu werden.

Kino solle erzählen und widerspiegeln. Wenn man Glück habe, berühre es den Geist der Zuschauer, sagte der Filmemacher einmal. Das Prinzip der Komödie „all'italiana“, in der „alles ungelöst bleibt“, die es aber dennoch schafft, „Hoffnung zu erzeugen - mittels eines gewaltigen Gelächters“, wird zu seinem Grundsatz. Er war „unser Balzac des Films, Autor einer gigantischen menschlichen Komödie: auf italienische Weise und über die Italiener“, würdigte ihn am Dienstag die römische Tageszeitung „La Repubblica“.

1915 in Viareggio in der Toskana geboren, drehte Monicelli nach dem Studium der Geschichte und Philosophie in Mailand schon 1934 seinen ersten 16-mm-Streifen. Und mit „I ragazzi della via Paal“ nach dem gleichnamigen Roman von Franz Molnár gewann er bei der Filmbiennale von Venedig in der Kategorie „Low-Budget“-Produktionen auch prompt seinen ersten Preis. In Rom arbeitete er anschließend unter anderem bei Regisseur Gustav Machaty als Assistent. Ab 1949 begann er seine Karriere als eigenständiger Regisseur.

Zweimal errang Monicelli in Venedig den Goldenen Löwen, dreimal in Berlin den Silbernen Bären und zweimal wurde er für den Oscar nominiert. Als Schauspieler war er zuletzt 2004 in Audrey Wells Film „Unter der Sonne der Toskana“ zu sehen. Als letzten Spielfilm realisierte Monicelli 2006 „Le rose del deserto“. 2003 übernahm der schlanke, unermüdliche Italiener mit dem weißen Bart und der kleinen Brille - damals bereits 88-jährig - den Vorsitz der Jury bei der Biennale von Venedig.