Verdächtiger im Mordfall Lena hat gestanden

Der Mordfall Lena ist geklärt: Ein 18-Jähriger hat gestanden, das Mädchen in einem Parkhaus umgebracht zu haben. Zum Motiv machten die Ermittler keine Angaben. Der junge Mann hat möglicherweise vorher schon andere Sexualdelikte begangen.

Emden (dpa) - Nach dem ersten Fehlgriff mit einem zu Unrecht Verdächtigten haben die Ermittler im Mordfall Lena einen anderen jungen Mann als mutmaßlichen Täter überführt. Der 18-Jährige habe zugegeben, die elf Jahre alte Schülerin am vergangenen Samstag in einem Parkhaus in Emden getötet zu haben. Er wurde mit Hilfe einer DNA-Analyse überführt. Er sitzt seit Sonntag wegen Mordes in Untersuchungshaft, weil er laut den Ermittlungen einen sexuellen Missbrauch an dem Mädchen verdecken wollte.

Am Tatort kannte sich der Mann gut aus - er hatte das Parkhaus regelmäßig für die Kletter-Trendsportart Parkour genutzt. Die Ermittler hatten zunächst einen Schüler verhaftet, den unschuldigen 17-Jährigen am Freitag wieder auf freien Fuß gesetzt.

„Der Tatverdächtige hat eingeräumt, das elfjährige Mädchen getötet zu haben“, sagte Martin Lammers von der Kriminalpolizei in Emden am Sonntag. Der 18-Jährige habe in der Vernehmung aber keine Details der Tat genannt und sich stattdessen „auf Erinnerungslücken“ berufen. So liegt auch das Motiv für das Verbrechen noch im Dunkeln. Der Verdächtige wurde überführt, weil eine nach der Festnahme genommene Speichelprobe und Tatortspuren übereinstimmen.

Der DNA-Test habe ergeben, dass der Festgenommene auch für mindestens ein anderes Sexualdelikt an einer Joggerin in der nahe dem Parkhaus gelegenen Wallanlage verantwortlich sei. Der Mann habe die Tat im November 2011 aber nicht vollenden können, sagte der Leitende Auricher Oberstaatsanwalt Bernard Südbeck. In den Vernehmungen habe der 18-Jährige eingeräumt, vor der Tat Kontakt zu Lena und ihrem gleichaltrigen Freund gehabt zu haben.

Der 18-Jährige, der in Emden wohnt, und Lena seien gemeinsam in das Parkhaus gegangen. Die Ermittler vermuten, dass das Mädchen dem Mann freiwillig folgte. Wie das Mädchen zu Tode kam, ließ der Leiter der Mordkommission, Werner Brandt, offen.

Zu der Festnahme am Samstag hatten die Hinweise von zwei Frauen geführt, die den Mann in Tatortnähe gesehen haben. „Durch den Zeichner des Landeskriminalamts wurde eine Phantomskizze angefertigt“, sagte Brandt. Sie habe deutliche Überschneidungen mit den Aufnahmen der Parkhaus-Videoüberwachung und dem Hinweis eines weiteren Zeugen gebracht. Ob eine Tatwaffe bei dem Mann gefunden wurde, ließ Brandt offen. Er sprach lediglich von „beweisrelevanten Gegenständen“, die sichergestellt worden seien.

Im Falle einer Verurteilung wegen Mordes droht dem Mann eine lebenslange Haft. Sollte der 18-Jährige nach Jugendstrafrecht schuldig gesprochen werden, liegt die Höchststrafe bei zehn Jahren. „Der Tatverdächtige macht einen sehr niedergeschlagenen Eindruck“, sagte Brandt, und deutete damit eine mögliche Selbstmordgefahr an. Er sei in der Nacht im Polizeigewahrsam dauerhaft ärztlich überwacht worden.

Zunächst hatten die Ermittler einen Berufsschüler verdächtigt. Der Jugendliche saß von Mittwoch bis Freitag in Untersuchungshaft. Nach der Freilassung war Kritik an den Behörden in Emden laut geworden. Die Staatsanwaltschaft sei mit den Sachverhalten zu offensiv an die Öffentlichkeit gegangen, hatten Strafrechtler und Kriminologen beklagt.

Oberstaatsanwalt Südbeck verteidigte am Sonntag erneut das Vorgehen der Polizei. Der Berufsschüler habe sich in Widersprüche verwickelt und falsche Angaben gemacht. Daraufhin sei ein dringender Tatverdacht entstanden. Dennoch sagte Südbeck: „Die erste Festnahme ist in der Rückschau als bedauerlich anzusehen.“ Der Schüler habe nun Anspruch auf Entschädigung. Für jeden Tag, den er unschuldig in Untersuchungshaft gesessen hat, stünden ihm 25 Euro zu.

Für eine öffentliche Diskussion hatten in dem Fall auch Lynchaufrufe im Internet gesorgt, die nach der Festnahme des ersten Tatverdächtigen veröffentlicht worden war. In der Nacht zum Mittwoch hatten sogar 50 Menschen stundenlang das Polizeigebäude in Emden belagert. Südbeck appellierte an manche Medien und Menschen im Internet, sie sollten „zur Vernunft kommen“.