Versuchter Mord: Berliner U-Bahnschläger verurteilt
Berlin (dpa) - Nach dem Gewaltexzess auf einem Berliner U-Bahnhof hat das Landgericht vier junge Schläger des versuchten Mordes schuldig gesprochen und mehrjährige Freiheitsstrafen verhängt. Die jungen Männer wurden am Mittwoch zu Haftstrafen zwischen vier und sechs Jahren verurteilt.
Das Gericht stellte fest, dass die Schläger ihre beiden Opfer „aus purer Lust an der Gewalt“ misshandelt hatten, wie der Sprecher des Landgerichts, Tobias Kaehne, nach der Urteilsverkündung in dem nicht öffentlichen Prozess mitteilte. Ein 30-jähriger Maler war schwer verletzt worden. Er lag wochenlang im künstlichen Koma.
Die Schüler im Alter zwischen 15 und 18 Jahren hatten im Februar den Handwerker im U-Bahnhof Lichtenberg mit Tritten gegen den Kopf und Schlägen bis zur Bewusstlosigkeit gequält. Der 30-Jährige hatte sich immer wieder hochgerappelt. Als er sich an einen Pfeiler lehnte, versetzte ihm der 17-Jährige aus dem Quartett einen heftigen Tritt. Der Maler schlug mit dem Kopf auf den Boden und blieb reglos liegen.
Ein gleichaltriger Kollege des Malers kam mit Prellungen davon. Er hatte zunächst aus dem Bahnhof fliehen können, wurde dann aber in der Nähe von den Gewalttätern aufgespürt und ebenfalls geschlagen und getreten. Weitere Misshandlungen verhinderte ein Rocker, der die Angreifer in die Flucht schlug.
Die Richter sprachen laut Kaehne von völlig sinnlosen Taten. Die Schüler seien mit großer Brutalität vorgegangen. Sie nahmen das Urteil „relativ regungslos“ entgegen, sagte der Sprecher. Es ist noch nicht rechtskräftig. Ein Verteidiger kündigte bereits Revision an.
Das Opfer aus dem U-Bahnhof kämpfte sich nach schwersten Kopfverletzungen mühsam zurück ins Leben. Eine Narbe am Hinterkopf ist noch immer sichtbar. Der junge Mann kam nicht zur Urteilsverkündung. Wegen der schweren Hirnverletzungen kann er sich kaum erinnern.
Die Attacke außerhalb des U-Bahnhofs wertete das Gericht laut Sprecher bei allen vier als versuchten Mord, den Angriff im Bahnhof nur bei zwei Tätern. Bei den beiden anderen sei hier ein Tötungsvorsatz nicht sicher nachweisbar gewesen.
Das urpsprünglich angeklagte Motiv Deutschenhass konnte im Prozess nach Angaben des Gerichtssprechers „nicht sicher festgestellt werden“. Opferanwalt Christian Joachim zeigte sich dennoch zufrieden. „Das Urteil bedeutet eine psychische Entlastung“, sagte der Anwalt.
Die Schüler mit Migrationshintergrund hatten Schläge und Tritte eingeräumt. Tötungsabsichten bestritten sie aber. Das Strafmaß blieb unter der Höchstforderung der Staatsanwaltschaft von knapp acht Jahren Haft. Die Verteidiger hatten zumeist Bewährungsstrafen beantragt. Die Mutter eines 18-Jährigen brach weinend im Gerichtssaal zusammen. Ihr Sohn erhielt wegen weiterer Gewalttaten die höchste strafe von sechs Jahren.
Immer wieder kommt es in Berlin in Bahnhöfen und an Haltestellen zu erschreckenden Gewaltausbrüchen. Bei dem bisher schlimmsten Fall starb ein 23-Jähriger, als er im September in Panik auf der Flucht vor Schlägern vor ein Auto rannte. Ein Verdächtiger sitzt in Untersuchungshaft.
Deutschlandweit schockierte in diesem Jahr auch ein Überfall auf einen Installateur im U-Bahnhof Friedrichstraße. Im September wurde ein 18-Jähriger zu zwei Jahren und zehn Monaten Jugendstrafe verurteilt. Der Gymnasiast war betrunken, als er dem Handwerker mehrmals wuchtig gegen den Kopf trat. Das Opfer überlebte, leidet aber weiter an den psychischen Folgen. Seinen Gewaltausbruch hatte der Sohn aus bürgerlichem Elternhaus nicht erklären können.