Virtuose und Clown: Ben Folds hält Rückblick
Berlin (dpa) - Begnadeter Pianist, genialer Melodienerfinder, Klavier-Clown, vierfacher Ehemann (immer schön nacheinander), Vater von Zwillingen - man kann nicht behaupten, dass Ben Folds ein langweiliger Typ ist.
Die Hetero/Punk-Version von Elton John ist einer der größten Entertainer des Pop und - reichlich abgedroschen, aber in seinem Fall passend - ein Tasten-Derwisch.
Bester Beweis: Die im Spätherbst erschienene Werkschau auf drei randvollen CDs mit dem - typisch Folds - augenzwinkernd-ironischen Titel „The Best Imitation Of Myself: A Retrospective“ (Epic/Sony). Das ist nicht die sonst übliche Zusammenstellung von 12 wohlbekannten Hits plus einem neuen Titel - nein, hier gibt's Vergangenheit, Gegenwart und sogar ein wenig Zukunft von Ben Folds zu bestaunen. Über knapp vier höchst unterhaltsame Stunden.
Von Chronologie hält ein schräger Vogel wie Ben Folds natürlich nichts. So wurden ganz frühe Songs oder gar Demos vom Anfang der 90er Jahre, Indie-Hits aus den vergangenen 15 Jahren, Konzertaufnahmen aus der ganzen Welt, Raritäten und Coverversionen kunterbunt über die drei Tonträger gestreut. Zu jedem der 61 Titel hat sich der mittlerweile 45-jährige Amerikaner im Booklet mehr oder weniger ernsthafte Gedanken gemacht - auch ein Lese-Vergnügen.
Und erst die Musik. Folds war immer Traditionalist, der die Beatles, Steely Dan, Burt Bacharach oder Piano-Männer wie Elton John, Billy Joel und Randy Newman verehrte - aber nie ehrfürchtig nachahmend, sondern mit einem Spin ins Abgedrehte. Schon das Debüt mit dem Klavier/Bass/Schlagzeug-Trio (!) Ben Folds Five war ein Hochgeschwindigkeits-Streifzug durch die Musikgeschichte. Es versöhnte Melancholie mit Witz, süffige Harmonien mit Punkrock-Energie.
Die vier Alben dieser grandiosen Band werden in der Retrospektive angemessen gewürdigt. Besonders der BFF-Schwanengesang mit dem irren Titel „The Unauthorized Biography Of Reinhold Messner“ (1999) war ein vor prächtigen, euphorischen Melodien nur so strotzendes Meister-Album - wer beim Flügelhorn-Solo von „Don't Change Your Plans“ keine Gänsehaut bekommt, muss schon ziemlich abgebrüht sein. Die Solo-Alben des Pianisten und Sängers schrieben die Geschichte in den Nuller-Jahren auf hohem Niveau weiter.
Die beste Nachricht der Best-Of-Scheibe ist nun, dass es eine Zukunft für Ben Folds Five zu geben scheint. Drei brandneue Songs des Trios mit Robert Sledge (Bass) und Darren Jessee (Schlagzeug) sind auf der Retrospektive enthalten, wie gewohnt zwischen aufgekratzt („Tell Me What I Did“) und balladig („Stumblin' Home Winter Blues“). Angeblich soll in diesem Winter ein neues BFF-Album entstehen.
Bis zu dessen Erscheinen kommt man mit dem Dreierpack erst einmal gut durch die Wartezeit. Wenn Ben Folds die Schnulze „Careless Whisper“ durch den Kakao zieht oder den fiesen Hip-Hop von „Bitches Ain't Shit“ als softe Piano-Rap-Ballade inszeniert, bleibt kein Auge trocken. Vor allem aber sind es die eigenen Songs des Mannes aus North Carolina, die jede Begegnung lohnen. Danke für 15 kreative Jahre, Ben - jetzt freuen wir uns aufs nächste Kapitel.