Von Schrumpfköpfen und Siegestrophäen
Mannheim (dpa) - „Ich denke, also bin ich.“ Dieser Satz empfängt die Besucher der Mannheimer Ausstellung „Schädelkult“ - und darunter sehen sie gleich seinen Entstehungsort: den Schädel des französischen Philosophen René Descartes (1596-1650).
Schrumpfschädel, Ur-Schädel und berühmte Schädel: Dem „Schädelkult“ widmen die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen jetzt eine Ausstellung. Gezeigt werden vom 2. Oktober bis Ende April mehr als 300 Schädel und Schrumpfköpfe aus Südamerika, übermodellierte Ahnenschädel aus Kolumbien, Schädelschalen aus dem pfälzischen Herxheim oder Schillers angebliche Überreste. Es sei die weltweit erste Schau, die sich der besonderen Bedeutung von Kopf und Schädel in der Kulturgeschichte des Menschen widmet, versichert Projektleiter Wilfried Rosendahl.
Stolz ist er auf den übermodellierten Schädel aus der Jungsteinzeit. Die erstmals außerhalb des Landes gezeigte Leihgabe aus Israel gilt als erster bekannter Nachweis dafür, dass die Menschen so früh schon ihrer Verstorbenen gedachten, indem sie ihr Gesicht mit Lehm auf den Schädeln nachmodellierten.
Noch immer geheimnisumwoben sind die Schädelschalen aus dem pfälzischen Herxheim, die auf einem einzigartigen Ritualplatz aus der Bandkeramik (um 5000 v. Chr.) freigelegt worden sind. „Die Interpretation ist schwierig“, umschreibt es Rosendahl. Schaurig mutet dagegen etwa das Schädeldach eines vor etwa 170 000 Jahren gestorbenen Mannes an, das als Schale benutzt wurde. Ähnliche Gefühle wecken die Köpfe, in denen Nägel stecken, weil sie einst als Trophäe an die Wand genagelt wurden, oder die länglich deformierten Köpfe aus der Zeit der Hunnen. Sie hatten Kleinkindern Bandagen angelegt, um die in ihren Augen schöne Verformung zu erreichen, erklärt Rosendahl.
Gezeigt werden die Trophäen der indischen Naga, Schrumpfköpfe aus Ecuador oder Schädel aus Afrika, die mit Vorhängeschlössern und Bandagen gesichert dem Glauben nach den Geist noch immer im Kopf haben sollen. Das Inselvolk der Andamanen (Indischer Ozean) wiederum sah in den Schädeln ihrer gestorbenen Verwandten einen Schutz, diese wurden deshalb auf den Rücken gebunden. Als weiteres Highlight zeigt die Ausstellung einen mumifizierten und tätowierten Kopf eines Maori-Häuptlings, den der britische Seefahrer und Entdecker James Cook von seinen Reisen mitgebracht haben soll.
Aber auch in Europa herrschte Schädelkult: Er reiche von Totenkopf-Motiven auf T-Shirts oder einer Fußball-Fanflagge von St. Pauli über kunstvoll bemalte Schädel in Beinhäusern bis hin zu Reliquien. Als Beispiel nennt Rosendahl die Suche nach Schillers Originalschädel. Ein vom Weimarer Bürgermeister Carl Schwabe in einer Nacht-und-Nebel-Aktion 1826 aus einem Massengrab geholter Schädel erwies sich nach einer DNA-Analyse als der falsche - anders als von Descartes ist von Schiller deshalb nicht das Original, sondern nur der sogenannte Schwabe-Schädel zu sehen.