Von wegen Omi-Hobby - Bridge in der Szenekneipe
Berlin (dpa) - Bridge hat ein etwas verstaubtes Image, aber das könnte sich ändern: In Berlin entdeckt ein alternativ-studentisches Publikum das Spiel für sich. Bundesweit passt die Mehrzahl der Spieler allerdings nach wie vor zum Klischee vom Omi-Hobby.
Stricken, Häkeln, Marmelade kochen, Kleingärten und den Dackel: Das alles hat die Berliner Szene schon für sich entdeckt. In einer Kneipe im mittlerweile schwer angesagten Weserkiez treffen sich junge Leute neuerdings zum Bridge. Zu einem Kartenspiel, das sonst in Seniorenfreizeitstätten und Vereinszimmern verbreitet ist. Die Klischees sind bekannt: Bridge ist ein Hobby für teetrinkende, betuchte Omis mit Perlenkette. Oder etwa nicht?
Bloß einen neuen Trend auszugraben, darum geht es den Spielern nicht, die im Kneipenkollektiv „Gelegenheiten“ bei Limo und Flaschenbier auf abgewetzten Trödel-Sofas sitzen. Es ist ein alternativ-studentisches Publikum, auch eine ältere Dame ist dabei. Konzentriert lauschen sie Bridgelehrer Michael Frühling (32), der neben dem Tresen seinen Kurs abhält. Danach wird geübt.
Es ist Lektion sechs. Es geht um die „Gegenreizung“, um „Oberfarborientierung“ und „Informationskontra“. Der Neuling versteht in etwa so viel wie in einem Seminar zur Quantenforschung. Die Schüler aber sind voll bei der Sache. „Es ist eine ganze Welt für sich“, findet Studentin Milena Maffei. Die 22-Jährige hat es gereizt, endlich mal ein Kartenspiel gut zu beherrschen.
Und Bridge, so erklärt der Club, sei spannender als Poker, Skat und Schach zusammen. Wie Rätsel knacken mit Karten. „Was ich cool finden würde, wäre, wenn es das verstaubte Image verliert“, sagt Frühling, der im Dezember mit einer Freundin, Mieke Plath (30), den Verein BC Gegenspiel Neukölln gegründet hat. Der Sozialwissenschaftler mit dem Dreitagebart entdeckte Bridge vor mehr als sechs Jahren an der Uni und ist begeistert. „Es ist das einzige Kartenspiel, das man sportlich betreiben kann.“
Es geht darum, das Beste aus seinen Karten zu machen, um Konzentration und Psychologie, wie der Lehrer erklärt. Auch nett sein schadet nicht. Man spielt zu viert und hat seinen Partner gegenüber. In Neukölln ist das Vergnügen nicht teuer: 20 Euro kostet es, an zehn Abenden die Basis für die „Königin der Kartenspiele“ zu lernen.
Bundesweit gehen in 500 Vereinen rund 29 000 Menschen diesem Hobby nach. Die Tendenz ist laut Deutschem Bridge-Verband leicht sinkend. Auch Michael Frühling kennt die Zahlen: 80 Prozent der Spieler sind Frauen, die über 70 Jahre alt sind. Bislang sind nur 154 Vereinsmitglieder unter 27 Jahre alt. „Wir arbeiten gerade daran, dass es sich ändert.“