Vor dem Fasten kommt das Prassen - Karnevalisten mögen Kalorien

Köln (dpa/tmn) - Würste und Eintöpfe - während der fünften Jahreszeit wird in Deutschland deftig gegessen. Und das aus gutem Grund: Das närrische Volk muss sich für die Umzüge stärken und braucht eine gute Grundlage, wenn Alkohol fließt.

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Und: Prassen hat dann Tradition.

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Noch einmal soll es hoch hergehen. Noch einmal wird geprasst. Denn wenn in den Karnevals-, Faschings- und Fastnachtshochburgen gefeiert wird, steht die Fastenzeit schon vor der Tür. Am Aschermittwoch ist alles vorbei, traditionell wird dann bis Ostern 40 Tage lang gefastet. „Der Kölner Karneval hängt eng mit dem katholischen Kirchenkalender zusammen“, erläutert Sigrid Krebs, Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands im Festkomitee Kölner Karneval von 1823. Er sei seit Jahrhunderten ein großes ausschweifendes Fest vor dem Beginn der Fastenzeit.

Für das Prassen und Schmausen gibt es historisch einen pragmatischen Grund. Bevor es Kühlschränke gegeben habe, mussten Vorräte wie Fleisch, Butter und Eier vor der Fastenzeit aufgebraucht werden, sagt Krebs. Dazu passt auch die Erklärung, dass das Wort Karneval vom lateinischen carne vale kommt, was „Fleisch, leb wohl“ bedeutet.

Und so stehen auf dem Speiseplan der Kölner Karnevalisten neben dem klassischen Rheinischen Sauerbraten auch einfache Gerichte wie „Dicke Bohnen mit Speck“ oder „Soore Kappes ungerenander“. Das zweite ist ein Sauerkrauteintopf, für den ausgelassener Speck und gedünstete Zwiebeln mit Sauerkraut, Wacholderbeeren, Salz, Apfelstücken und Kassler in Brühe mindestens eine Stunde lang gekocht und dann mit gestampften Kartoffeln untereinander (eben „ungerenander“) vermengt werden.

Auch im schwäbisch-alemannischen Raum essen die Narren gern deftig. Jede Region habe ihre typischen Fastnachtsgerichte, sagt Volker Gegg, Sprecher der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte VSAN in Bad Dürrheim in Baden-Württemberg. „Beim Hexenfrass der Hexenzunft Offenburg etwa werden am Fastnachtsdienstag mehrere Tausend Schwarzwürste mit Weckle (Brötchen) von den Hexen an die Bevölkerung verteilt“, erzählt Gegg. Auch bei der Mainzer Fassenacht sind „Weck, Worscht und Woi“ - Fleischwurst, ein Doppelbrötchen und eine Flasche Wein - laut Mainzer Fastnachts-ABC, einem Lexikon der Fastnachtsbräuche, „die wichtigste Marschverpflegung“.

Herzhafte und besonders salzige und saure Speisen haben nach Auskunft von Antje Gahl, Ernährungswissenschaftlerin und Sprecherin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) in Bonn, ihren Platz unter den beliebtesten Karnevalsspeisen nicht umsonst. Mit ihnen lasse sich der Mineralstoffverlust, der durch Alkoholkonsum verursacht werde, gut ausgleichen. Deshalb signalisiere der Körper Appetit auf Deftiges wie Sauerkraut, Eintöpfe oder Eingelegtes.

Gern verzehrt wird in allen närrischen Regionen süßes Gebäck, das frisch aus dem schwimmenden Fett kommt. Die Namen für das Schmalzgebäck unterscheiden sich: In München werden Faschingskrapfen gegessen, im Südwesten Fasnetsküchli. Und in der ostdeutschen Karnevalshochburg Köthen gelten mit verschiedenen Marmeladen gefüllte, glasierte oder unglasierte Pfannkuchen als die närrische Verpflegung schlechthin. In Köln liebt man Muzen oder Muzemandeln, wie Sigrid Krebs erzählt. Das in Fett herausgebackene Gebäck aus Eiern, Mehl, Butter, Zucker und eventuell Mandeln werde nur während der fünften Jahreszeit in den Kölner Bäckereien angeboten.

Was gut schmeckt und traditionell aus hauswirtschaftlichen Gründen vor der Fastenzeit verbraucht werden musste, hat für die Karnevalisten aber noch einen anderen Vorteil. Fettreiche Speisen verweilen lange im Magen, was dazu beiträgt, dass danach oder zeitgleich genossener Alkohol langsamer ins Blut gelangt.