Vor ihm zitterte ganz Mexiko
Er war der meist gesuchte Drogen-Boss in Mittelamerika. Nun sitzt Joaquin „El Chapo“ Guzmán wieder hinter Gittern.
Mexiko-Stadt. Einst zitterte ganz Mexiko vor ihm, jetzt zerren ihn zwei vermummte Marineinfanteristen über eine Landepiste. Mit gebeugtem Haupt und leerem Blick wirkt Joaquín „El Chapo“ Guzmán zwischen den kräftigen Elitesoldaten fast ein wenig verloren.
Der legendäre Chef des Sinaloa-Kartells bestimmte in seinem Einflussgebiet jahrelang über Leben und Tod. Er schmuggelte tonnenweise Kokain und brachte es auf die „Forbes“-Liste der reichsten Menschen der Welt. Nun sitzt der mächtigste Capo der Welt hinter Gittern.
Die Festnahme von Guzmán in der Hafenstadt Mazatlán ist der größte Erfolg der Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto im Kampf gegen die Drogenkartelle. 2013 war bereits der Chef der „Los Zetas“, Miguel Ángel Treviño Morales, gefasst worden, doch niemand steht für den Narco-Staat Mexiko wie „El Chapo“.
„Das ist politisch viel wert für Peña Nieto, das gibt ihm Legitimität“, sagt der Sicherheitsexperte Guillermo Zepeda vom Beratungsunternehmen Jurimetría. „Es hat eine große symbolische Bedeutung — er war der Chef der Chefs.“
Viele Legenden rankten sich um den Kartellboss, von dem es nur wenige Fotos gab. 1993 war er in Guatemala festgenommen und nach Mexiko ausgeliefert worden. Versteckt unter Schmutzwäsche und wohl mit Hilfe der Wächter gelang ihm 2001 die Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis. Seitdem war Guzmán wie vom Erdboden verschluckt und sein Ruhm wuchs mit jedem Tag.
Guzmán war ein Mythos in Mexiko, doch er stand auch für die alte Generation der Drogenhändler. Die „Los Zetas“, die sich hauptsächlich aus ehemaligen Mitgliedern von Spezialeinheiten rekrutieren, und die Bande um die Brüder Beltrán Leyva hatten sein Kartell mächtig unter Druck gesetzt.
Die Festnahme von „El Chapo“ ist ein schwerer Schlag für das Sinaloa-Kartell — sicherer dürfte Mexiko deshalb aber nicht werden. Nach Guzmáns Festnahme könnten interne Machtkämpfe um seine Nachfolge beginnen.
Guzmán war zwar der bekannteste, jedoch nicht der einzige Anführer der „Federación“ (Bündnis), wie seine Organisation wegen der lockeren Struktur auch genannt wird. Mehrere eigenständige Banden ringen innerhalb des Syndikats ständig um Einfluss und Geschäftsfelder.
Neben dem zweiten starken Mann des Kartells, Ismael Zambada Garcia alias „El Mayo“, könnte nun auch Juan Jose Esparragoza Moreno alias „El Azul“ Ansprüche anmelden.
Der ehemalige Polizist gilt laut Branchenkennern als geschickter Netzwerker, der schon häufig zwischen den verschiedenen Fraktionen des Kartells erfolgreich vermittelt hat. Er ist mit Guzmáns Schwägerin verheiratet und Patenonkel eines Sohns von Zambada. So bleibt — wie es auch kommt — alles in der Familie.