Hilfsprojekt: Ein Jahr joggen für kranke Kinder
Harry Ohlig will 30 Mal um den Bodensee laufen und auf den 7700 Kilometern Sponsorengelder für Hospize sammeln.
Radolfzell. Seine Laufschuhe wird Harry Ohlig in den nächsten Monaten oft schnüren. Der 52-Jährige aus Radolfzell bei Konstanz läuft seit Anfang Februar — und will insgesamt ein Jahr lang um den Bodensee laufen, jeden Tag 21 Kilometer. Egal, ob es regnet, schneit oder die Sonne scheint. Er möchte mit dem Lauf 116 ambulante Kinder- und Jugendhospizdienste in Deutschland unterstützen. „Ich will auf das Thema aufmerksam machen“, sagt Ohlig.
Dafür hat der 52-Jährige einige Brücken hinter sich abgebrochen. 22 Jahre habe er als Eventmanager gearbeitet, irgendwann aber gemerkt, dass ihm das nicht reiche. Als er einem kleinen Mädchen mit einer unheilbaren Krankheit begegnete, ließ ihn das nicht mehr los.
Er kündigte seinen Job, gab Sicherheiten auf und startete das Projekt „Giganica“ — den Lauf um den Bodensee. Insgesamt 30 Mal will er ihn während des Jahres umrunden und dabei 7700 Kilometer zurücklegen.
„Ich habe nie Geldsorgen gehabt, aber so richtig ausgefüllt war ich nicht“, sagt Ohlig. „Ich weiß nicht, was in einem Jahr ist. Aber ich war noch nie so glücklich wie im Moment.“ Für seinen Lauf will er 365 Sponsoren gewinnen — für jeden Tag einen. Ohlig hofft auf im besten Fall eine Million Euro - das Geld soll Tausenden Kindern zugutekommen, die unheilbar krank sind.
Woher nimmt Ohlig diesen Antrieb? Der Psychologe Frank Wieber von der Universität Konstanz meint, bei solchen Entscheidungen könne der Begriff der Generativität hilfreich sein. Er wurde vom deutsch-amerikanischen Psychoanalytiker Erik Erikson geprägt und bezeichnet die Motivation, einen bedeutsamen Beitrag zum Wohl der Gesellschaft oder für zukünftige Generationen leisten zu wollen.
Das gewinne besonders im mittleren bis höheren Erwachsenenalter an Bedeutung, sagt Wieber. Die Erfüllung könne innerhalb der Familie stattfinden - beispielsweise indem man sich um eigene Kinder oder Enkelkinder kümmere. Oder aber man engagiere sich im gesellschaftlichen Bereich.
Ohlig sagt: „Ich bin kein Extremsportler. Vor zwei Jahren war ich noch Kettenraucher.“ Als Freunde zu ihm sagten „Das schaffst du nicht“, habe er sich gedacht: „Jetzt erst recht.“ Im August habe er angefangen zu trainieren, rund 2400 Kilometer habe er schon zurückgelegt.
Bei einem so langfristigen Vorhaben spielten viele externe Faktoren mit hinein, sagt Psychologe Wieber. Eine anhaltende Schlechtwetterperiode zum Beispiel könne deutlich auf die Stimmung drücken und die Willenskraft herausfordern. Einen Halbmarathon zu laufen sei grundsätzlich eine leicht erreichbare Leistung im Breitensport. Dieses Vorhaben sei durch die Summe der 365 Läufe besonders. „Es ist schwierig einzuschätzen, wie sich ein solch langes Vorhaben physisch und psychisch auswirkt.“
Ein Bekannter bringt Ohlig jeweils zu seinem Startpunkt und sammelt ihn nach 21 Kilometern wieder ein. Damit er nicht schummeln kann, läuft Ohlig mit einer Kamera, die Strecke wird für das Internet aufgezeichnet.
„Ich bin jeden Tag rund zweieinhalb Stunden unterwegs“, sagt der 52-Jährige. Und was macht er, wenn er mal krank wird? „Dann hänge ich die ausgefallene Strecke hinten dran. Ich laufe auf jeden Fall 365 Tage und 7700 Kilometer.“