Wahlveranstaltung: "Grevenbroisch wird Hauptstadt"
Schlämmer ins Kanzleramt: Hape Kerkeling wirbt für seine Kunstfigur und seinen Film.
Berlin. "Wir sind konservativ, liberal und links": Auch der Mann im Trenchcoat mit Schnauzbart und Herrenhandtäschchen ist in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs angekommen "Wat die andern nich können, dat kann ich auch!"
Für Hape Kerkeling ist das Super-Wahljahr ohne Horst Schlämmer nicht denkbar. Also schickt er seine erfolgreichste Kunstfigur, den stellvertretenden Chefredakteur des "Grevenbroicher Tagblatts", mit dem Kinofilm "Horst Schlämmer - Isch kandidiere!" ins Rennen um das Bundeskanzleramt. Der Film läuft am 20. August an.
Mitstreiter in dem Werk sind die Schauspielerinnen Alexandra Kamp und Maren Kroymann, der Rennfahrer Michael Schumacher, der Rapper Bushido, der Komiker Michael Bully Herbig sowie NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU)und Grünen-Chef Cem Özdemir. Die Rollen von Angela Merkel, Ronald Pofalla und Ulla Schmidt übernimmt Kerkeling praktischerweise selbst.
Die echten Politiker hatten anfangs Angst, "vorgeführt oder lächerlich gemacht zu werden". Die echten Journalisten der Hauptstadt hatten da am Dienstag weniger Probleme und spielten ihre Rolle in Schlämmers "Bundespressekonferenz" munter mit.
Die soll für den Film noch verwertet werden, obwohl die Begrüßung zu wünschen übrig ließ: "Vielen Dank für den müden Applaus", meinte Kerkeling, der ausschließlich Schlämmer-Fragen beantworten wollte. Dann teilte er aus: "Sie sind von der ARD? Sie habe ich mir aber anders vorgestellt."
Fragen, wie seine "Horst-Schlämmer-Partei" (HSP) mit Finanzkrise, Arbeitsmarkt und Schweinegrippe umgehen will, beantwortete der Kandidat in flüssig vorgetragenen Floskeln: "Ich verspreche Ihnen hier und heute, dass ich vier Millionen Arbeitsplätze nicht schaffen werde! Sollte ich es wider Erwarten doch schaffen, können Sie mich ruhig abwählen." Und: "Wir sind gegen die Schweinegrippe - mit uns nicht, ein ganz klares Nein!" Und was ist mit der Kernkraft? "Atom? Raus, alles raus, auch aus dem Ausstieg."
Doch auch einen Schlämmer erwischt man bei Widersprüchen: Einerseits hat er ein Auge auf das Kanzleramt geworfen ("3000 Quadratmeter warm"), andererseits will er Grevenbroich zur Hauptstadt machen - "dann muss ich als Kanzler nicht so viel reisen".
Kerkeling, der mit dem Regisseur Angelo Colagrossi zusammenlebt, wurde als Schlämmer auch gefragt, ob es in seinem "Kabinett" einen offen lebenden Schwulen geben wird. "Also, politisch ist Homosexualität absolut in Ordnung, privat ist das absolut widerlich!"
Michael Spreng, früherer Wahlkampf-Berater von Edmund Stoiber, meinte zu dem Kerkeling-Projekt, das Ganze sei ein großer Spaß. Aber beispielsweise mit seinen Äußerungen zur Arbeitsmarktpolitik "entlarvt er manche Versprechen als unhaltbar. Das ist doch eine wichtige Funktion: Der Hofnarr hält den Herrschenden den Spiegel vor".
Noch vor Beginn der Kerkeling-Veranstaltung hatten die Vertreter einer konkurrierenden Organisation, nämlich der "Partei" um den ehemaligen Chefredakteur der Satirezeitschrift "Titanic", Martin Sonneborn, kurzfristig das Podium besetzt, um auf ihren "Wahlkampf" aufmerksam zu machen. Ihnen wurde aber das Saallicht abgedreht. Nicht jede Kunstfigur ist so gut gelitten wie Horst Schlämmer.