New York „Weiser, großartiger Mensch“: Fritz Stern ist tot
München/New York (dpa) - Trauer um Fritz Stern: Der Historiker und Deutschland-Experte sei am Mittwoch (Ortszeit) friedlich zuhause in New York gestorben, teilte eine Sprecherin des Verlags C.H.Beck in München mit.
Stern war am 2. Februar 90 Jahre alt geworden.
Er gehörte zu den berühmtesten Historikern der Gegenwart. Seine Geschichtswerke wurden zu Klassikern des Fachs, seine Memoiren „Fünf Deutschland und ein Leben“ zum Bestseller. Der frühere Professor der Columbia-Universität in New York wurde unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet und war mehrfacher Ehrendoktor.
Bundespräsident Joachim Gauck und Kanzlerin Angela Merkel würdigten Stern. Gauck nannte ihn einen „weisen, großartigen Menschen“. In seinem Lebensweg und seinem Werk spiegele sich die Zeit- und Kulturgeschichte eines ganzen Jahrhunderts. Sterns Welt- und Menschenbild sei getragen von der Überzeugung, dass Geschichte nicht vorbestimmt sei „und dass daraus die Verantwortung jedes Menschen als handelndes Subjekt erwächst“, so der Bundespräsident. Zu Recht habe Fritz Stern von den Deutschen gefordert, die Verbrechen an den Juden im kollektiven Gedächtnis zu bewahren. „Ich werde diesen bedeutenden und leidenschaftlichen Mann vermissen. Er war ein aufrechter, eingreifender Verteidiger der Freiheit und Würde des Menschen.“
Kanzlerin Merkel erklärte, sie habe mit tiefer Trauer vom Tod des Historikers erfahren, und hob dessen Wirken hervor: „Sterns Schriften über das moderne Europa, insbesondere über Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert sind unverzichtbare Werke für das Verständnis unserer Nation und unseres Kontinents.“
Sterns Stimme der Freundschaft und des Vertrauens werde vermisst werden, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Bundestagspräsident Norbert Lammert würdigte Stern als „einen hochangesehenen Historiker, einen liberalen politischen Denker und einen versierten Kenner der deutschen Zeitgeschichte“.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, Stern habe „für uns Europäer viele Brücken zwischen Zeiten und Menschen gebaut“. „Er wird uns fehlen.“ Bundestagspräsident Lammert würdigte Stern als „einen hochangesehenen Historiker, einen liberalen politischen Denker und einen versierten Kenner der deutschen Zeitgeschichte“.
1926 wurde Stern in Breslau als Sohn einer traditionsreichen Arztfamilie jüdischer Abstammung geboren. 1938 floh die Familie nach New York. Stern studierte an der Columbia Universität und wurde dort schließlich Professor. Er forschte über die Geschichte des modernen Europa im 19. und 20. Jahrhundert, insbesondere die Entstehung des Nationalsozialismus, und veröffentlichte dazu zahlreiche Werke. Stern, der in zweiter Ehe mit der Autorin Elisabeth Sifton verheiratet war und aus seiner ersten Ehe zwei Kinder hat, galt als großer Kenner Deutschlands - fühlte sich aber „als amerikanischer Bürger“.
Sein Leben lang setzte er sich für Deutschland ein. 1990 überzeugte er sogar die britische Premierministerin Margaret Thatcher, dass man vor einem wiedererstarkenden Deutschland keine Angst zu haben brauche. Der frühere US-Botschafter in Deutschland, Richard Holbrooke, nannte ihn einmal einen „lebenden nationalen Schatz“. Bis zuletzt arbeitete Stern und meldete sich in der Öffentlichkeit zu Wort.
Nur wenige Monate vor seinem Tod warnte er in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur angesichts des Rechtsrucks in vielen europäischen Ländern vor einem bevorstehenden „Zeitalter der Angst“. „Ich habe mich manchmal beschwert, dass ich aufgewachsen bin mit dem Ende einer Demokratie und jetzt, am Ende des Lebens, die Kämpfe um die Demokratie noch einmal erleben muss. Eigentlich eine traurige Bilanz.“