Wenn der Erste Weltkrieg nach Zwieback schmeckt

Stuttgart (dpa) - Wie schmeckte der Erste Weltkrieg? Nach billigem Zwieback. Wie hörte er sich an? Ohrenbetäubend. Und wie roch es in den Schützengräben? Beißend nach Verwesung. Und nach tückischem Gas.

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In einer großen Ausstellung zum Beginn des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren stellt das Haus der Geschichte Baden-Württemberg in Stuttgart den Menschen und seine Sinne in den Mittelpunkt. Sinnesstationen und 400 Objekte verdeutlichen, was der Krieg mit den Menschen machte, wie er alle Sinne beanspruchte und belastete.

„Der Krieg klingt, riecht und schmeckt anders an der Front als in der Etappe und in der Heimat“, erklärt die Ausstellungsleiterin Paula Lutum-Lenger. „Fastnacht der Hölle - Der Erste Weltkrieg und die Sinne“ ist bis zum 1. März 2015 zu sehen.

HÖREN. Symbolisch für den infernalischen Lärm von unzähligen Explosionen an der Front liegt eine Dose Ohropax in der Vitrine. „Armee-Packung“ seht drauf und „gegen die Schallwirkung des Kanonendonners“. Den Klang von Trommelfeuer, Maschinengewehr und von Schrapnell-Granaten kann der Besucher selbst erfahren. Handsirenen wiederum warnten in der Heimat vor Luftangriffen. Und wie klang es dort sonst so? Pferdegeklapper gab es nicht, die Tiere waren alle im Krieg. Die Glocken waren eingeschmolzen. Es waren eher ungewöhnliche Geräusche, berichtet Lutum-Lenger: etwa das von Fahrrädern mit Spiralbereifung, denn die Schläuche waren beschlagnahmt.

RIECHEN. Das sei nichts für die Zeit vor dem Mittagessen, sagt Museumsleiter Thomas Schnabel beim Blick auf die Flaschen, in denen beißender Verwesungs- und Gasgeruch aus den Schützengräben imitiert wird. Um den Gestank zu übertünchen, bestellten sich Soldaten Eau de Cologne in der Heimat. „Schickt mehr davon“, hieß es in Briefen. In Vitrinen liegt Riechmittel gegen Reizgas, das Nase und Rachen der Soldaten beruhigen sollte. Direkt daneben: das Otto-Dix-Gemälde „Sturmtruppe geht unter Gas vor“.

SCHMECKEN. Der Krieg lässt sich tatsächlich schmecken. Eine Stuttgarter Bäckerei hat für die Besucher der Ausstellung Militärzwieback nach einem Kriegsrezept gebacken - ohne Milch, Fett und Eier. „Etwas fad“, sagt Lutum-Lenger. Und in der Heimat? Mangel, Not und Tod. Symbolisch dafür steht eine mit Zeitungspapier ausgekleidete Kochkiste. Zehntausende starben in Anstalten an Hunger und Mangelerscheinungen.

TASTEN. Kleidung aus Papiergarn führte dazu, dass die Deutschen die Rohstoffknappheit während des Krieges auf der eigenen Haut spürten. Spätestens 1917 mangelte es in Folge von Seeblockade nicht nur an Lebensmitteln, sondern auch an Rohstoffen wie eben Baumwolle.

SEHEN. Die Ausstellung endet mit einem Blick von oben auf die Schlachtfelder von damals. „Es ist Gras über die Geschichte gewachsen“, sagt Lutum-Lenger. Aber man könne die Schützengräben der Westfront noch gut erkennen. Eine ganze Reihe 3D-Bilder ziehen den Betrachter ins Geschehen von damals. Und dann war da auch jede Menge Sehnsucht. So schrieb der Soldat Adolf Mann seiner Frau in den fünf Kriegsjahren rund 1300 Briefe - mehr als einen pro Tag.

„Fastnacht der Hölle“, der Titel der Ausstellung, ist ein Zitat des Schriftstellers Ernst Jünger (1895-1998). Wie andere Frontsoldaten habe er seine Erlebnisse mit einer Mischung aus Faszination und Grauen geschildert, berichtet Schnabel. Der Erste Weltkrieg „überwältigte die menschlichen Sinne mit Eindrücken von ungeahnter Dimension“. Jünger selbst brachte seinen durchschossenen Stahlhelm von der Front mit - und den eines britischen Soldaten.