Panorama Wenn der laute Nachbar stört

Das Justizministerium NRW bietet jeden ersten Donnerstag im Monat eine telefonische Bürgersprechstunde zur Streitschlichtung an.

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Düsseldorf. Kurz vor 12 Uhr ist es noch ruhig in dem kleinen Konferenzraum in der fünften Etage des Justizzentrums Düsseldorf. Falk Jansen, Sprecher der Düsseldorfer Schiedsleute, und seine Kollegen Monika Scholl, Carola Krüger und Harald Sudmann sitzen schon auf ihren Plätzen, bereit, die ersten Anrufe entgegen zu nehmen. Denn jeden ersten Donnerstag im Monat bietet das Justizministerium NRW eine Hotline an, bei der sich die Bürger melden können, um sich Ratschläge von aktiven Schiedspersonen einzuholen.

„In den wärmeren Jahreszeiten ist immer deutlich mehr los“, berichtet Monika Scholl von ihrer ehrenamtlichen Arbeit. „Im Sommer gehen die Leute öfter in den Garten und sehen dann Dinge, die sie stören.“ Der Bürgerservice für das ganze Bundesland beschäftigt sich vornehmlich mit Nachbarschaftsstreitigkeiten wie private Videoüberwachung, Ärgernisse an Grundstücksgrenzen und im Winter mit blinkenden Lichterketten und der Notwendigkeit, Schnee zu schaufeln. „Heute hatte ich nur Hecken, es ist einfach noch zu warm“, sagt Schiedsfrau Carola Krüger.

Viele Konflikte können die Schlichter beilegen, aber manchmal muss auch an einen Rechtsanwalt verwiesen werden. Denn eine individuelle Rechtsberatung dürfen die insgesamt sechs Schiedsleute an der Hotline nicht geben. Um Schiedsperson zu werden, muss man mindestens 30 Jahre alt sein und für das Amt als geeignet eingeschätzt werden. Ist diese Hürde überwunden, folgen diverse Lehrgänge in Nachbarschaftsrecht, Strafrecht und Mediation. Falk Jansen, der seit 32 Jahren als Schiedsmann tätig ist, hat sich sein Wissen aus Literatur angeeignet und die Grundsätze verinnerlicht. Aber man braucht nicht nur Sachverstand, weiß der Sprecher: „Es ist wichtig, ein gewisses Maß an Einfühlungsvermögen und Verständnis mitzubringen.“

Seit kurz nach zwölf stehen die Telefone der Hotline nicht mehr still — auch Anfragen und Anrufe, die außerhalb der zweistündigen Sprechstunde eingegangen sind, werden bearbeitet. Am Apparat von Carola Krüger ist ein Anrufer aus Remscheid, der sich mit seinem Nachbarn über die Randbepflanzung im Garten in den Haaren liegt. „Suchen Sie zuerst mal das Gespräch mit Ihrem Nachbarn, das hilft oft schon weiter“, rät die erfahrene Schiedsfrau. Nach einem kurzen Wortwechsel ist das Telefonat beendet, dem Anrufer konnte geholfen werden. Ein Beratungsgespräch dauert meist zwischen fünf und zehn Minuten.

„Einmal rief eine Dame aus einer großen Stadt an, deren Mann Opernsänger war und zu Hause üben musste“, berichtet Monika Scholl von einem ihrer skurrilsten Fälle. „Davon war die eigene Familie so genervt, dass eine Eigentumswohnung am Rande der Stadt erworben wurde, damit der Mann dort proben konnte. Die Dame, die anrief, fühlte sich ebenfalls von der Lautstärke des Gesangs gestört und wollte wissen, welche Möglichkeiten sie in diesem Fall hat.“ Sie kann sich noch sehr genau an die Empörung der Frau erinnern. „Ich habe sie dann ganz sachlich aufgeklärt, was Nachbarn ertragen müssen und was nicht, aber das war schon sehr eigentümlich“, sagt Scholl.

Einen Fall, den sie direkt an die Polizei weitergeben musste, hatte sie bisher noch nicht: „Nur einmal war es kritisch. Aber da hatte ich eher Angst, dass sich die junge Frau selber etwas antut.“ Sie riet ihr dann, sich mit einem Psychologen zu treffen. „Ich hatte auch den Eindruck, sie hat sich meinen Rat zu Herzen genommen und sich professionelle Hilfe gesucht.“

In einer Sprechstunde laufen bis zu 60 Anrufe von Bürgern auf, die Hilfe bei der Klärung einer Auseinandersetzung brauchen. „Es ist wichtig, immer respektvoll zu bleiben“, weiß Falk Jansen aus seiner langjährigen Erfahrung. „Und wir verurteilen niemanden“, ergänzt Monika Scholl. „Jeder regt sich mal über jemand anderen auf — das ist doch menschlich. Ich sag dann immer: Man kann seinen Nachbarn ein Arschloch nennen, aber unter der Dusche und nur wenn das Fenster dabei geschlossen ist.“